„Ein Konjunkturprogramm ist jetzt nicht angesagt, das würde die Aufgabe der EZB unnötig schwer machen, durch eine Dämpfung der Nachfrage die Inflation zurückzutreiben“, sagte Schnitzer der „Rheinischen Post“ (Mittwochausgabe). „Die Regierung könnte aber den Nachfragerückgang gerade in der Baubranche nutzen, um Projekte umzusetzen, die ohnehin geplant sind, die bisher aber wegen Kapazitätsengpässen in der Bauindustrie zurückgestellt wurden“, sagte die Vorsitzende des Wirtschafts-Sachverständigenrats der Bundesregierung.
„Anders als sonst müsste man nicht befürchten, dass dadurch die Baupreise in die Höhe getrieben werden“, sagte die Münchner Ökonomin. „Die Anzeichen verdichten sich, dass wir im zweiten Halbjahr ein leichtes Minus bei der wirtschaftlichen Entwicklung haben werden statt ein leichtes Plus, wie noch im Frühjahr erwartet“, so die Wirtschaftsweise. „Das ist kein Grund zu Panik, noch ist der Arbeitsmarkt nicht ernsthaft belastet. Aber es zeigt, dass die Energiekrise, die durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelöst wurde, die Wirtschaft nachhaltiger belastet, als manche zu Beginn des Krieges prognostiziert haben“, sagte Schnitzer. Als Ursachen für die schwache Konjunktur nannte sie hohe Industriestrompreise, steigende Zinsen sowie einen Rückgang der Auslandsnachfrage. „Einige Branchen haben unter dem Eindruck der gestiegenen Energiepreise ihre Produktion zurückgefahren, das gilt insbesondere in der Chemie, obwohl die Energiepreise inzwischen wieder deutlich gesunken sind“, so Schnitzer. „Anderen Branchen, insbesondere der Bauindustrie, machen die gestiegenen Zinsen zu schaffen, mit denen die EZB die hohe Inflation bekämpfen will. Außerdem gibt der Export nicht wie sonst den Schub, der die Wirtschaft antreibt, weil auch in anderen Ländern die Konjunktur schwächelt.“
Die Zinserhöhungen der EZB bezeichnete sie als notwendig. „Die Zinserhöhungen wirken konjunkturdämpfend, das ist ja auch so gewollt.“ Nach wie vor sei es wichtig, die Inflation zu reduzieren, damit die Inflationserwartungen sich nicht dauerhaft auf einem höheren Niveau einpendeln. „Sonst wird es in den nächsten Lohnverhandlungsrunden immer schwieriger, für Lohnzurückhaltung zu werben, um die Inflation nicht weiter anzuheizen“, sagte Schnitzer.