Angesichts der Agrarproteste hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) seine Forderung nach einer Tierwohlabgabe erneuert. „Es kommt jetzt darauf an, dass wir den Landwirten eine positive Perspektive und Planungssicherheit geben“, sagte Özdemir der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). „Wir brauchen jetzt endlich die Tierwohlabgabe, um den Umbau von tiergerechteren Ställen zu finanzieren.“
Er habe für den Anfang eine Milliarde organisiert, mehr als jede Bundesregierung zuvor, aber das reiche eben nicht. „Ich kenne die Ängste mancher Kollegen vor der Reaktion der Verbraucher“, fügte er hinzu. „Aber niemand muss befürchten, dass er sich die Currywurst dann nicht mehr leisten kann.“
Außerdem verlangte Özdemir, die Stellung der Landwirte in der Wertschöpfungskette zu stärken, „etwa mit festen Preisen für die Milchbauern“. Die Politik müsse die Bauern darüber hinaus zu Energieproduzenten machen, ohne die vorhandenen Flächen noch weiter zu verknappen, so der Grünen-Politiker. Und in der europäischen Agrarpolitik müsse das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ gelten.
„Wir alle wollen Umwelt und Artenvielfalt schützen und dass es den Tieren bessergeht“, erklärte der Minister. „Aber das muss sich eben auch für den Landwirt rechnen.“ Wenn das alles gelinge, könne „diese Krise auch eine Chance sein“.
Gegen den Vorwurf der Radikalisierung nahm Özdemir die Landwirte in Schutz. „Die maßgeblichen Verbände haben sich klar von diesem Vorfall distanziert“, sagte er in Bezug auf die verhinderte Rückkehr von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) aus dem privaten Silvesterurlaub in der vorigen Woche. „Der Bauernverband lässt sich von Extremisten nicht vereinnahmen. Das sollten manche Kritiker auch mal würdigen, statt den Konflikt noch weiter anzuheizen.“
Zur Debatte um klimaschädliche Subventionen sagte Özdemir, die Landwirtschaft habe ihre Klimaschutzziele erreicht, anders als der Verkehrs- oder Gebäudesektor. „Die schweren Fahrzeuge sind der Bereich, der am schwierigsten zu dekarbonisieren ist. Physikalische Gesetze können durch politische Beschlüsse nicht außer Kraft gesetzt werden.“
Der Grünen-Politiker kritisierte zudem die Außenwirkung der Bundesregierung. „Wir haben in der Ampelregierung viel Gutes bewirkt. Wenn die Leute das so nicht wahrnehmen, liegt das zu 90 Prozent an uns“, so Özdemir. Zugleich bemängelte er die verspätete Teilrücknahme der Agrarkürzungen erst im neuen Jahr. „Es wäre besser gewesen, die Sparbeschlüsse noch vor Weihnachten zurückzunehmen. Wenn man solche Korrekturen zu spät vornimmt, ist es immer zu wenig.“
Die Spitzen der Ampelkoalition hatten in den Haushaltsverhandlungen des vorigen Jahres beschlossen, die Kfz-Steuerbefreiung und das Dieselprivileg für die Landwirte zu streichen – offenbar ohne den Agrarminister vorher zu konsultieren. Zu Jahresbeginn setzte Özdemir durch, dass die Kfz-Steuer weiterhin entfällt und der Wegfall des Dieselprivilegs zeitlich gestreckt wird. Ungeachtet dieses Entgegenkommens halten die Bauern an ihren Protestaktionen fest, an diesem Montag will Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf einer Kundgebung in Berlin sprechen.