Die Energieministerien mehrerer Bundesländer dringen auf eine Reform der Preisgestaltungsregeln für Fernwärme. „Es ist offensichtlich, dass die Regeln für die Preisänderungsklauseln heute einfach nicht mehr zu den energiewende- und klimapolitischen Zielen passen“, sagte Tobias Goldschmidt (Grüne), Energieminister von Schleswig-Holstein, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben). „Selbst wenn Wärme zu 100 Prozent klimaneutral erzeugt wird, ist es bislang zulässig, dass Fernwärmepreise mit den Erdgaspreisen mitsteigen.“
Sogar die steigende CO2-Bepreisung für Erdgas erhöhe (über den Umweg der sogenannten Marktkomponente in den Preisänderungsklauseln) den Fernwärmepreis, erklärte er. „Hier braucht es zwingend eine Reform der AVB-Fernwärme-Verordnung.“ Der fehlende Wettbewerb im Bereich der Fernwärme führe außerdem dazu, dass Effizienzsteigerungen aktuell weniger von Bedeutung sind, als sie es unter Wettbewerbsdruck wären.
Schleswig-Holstein hat derzeit den Vorsitz in der Energieministerkonferenz und will beim nächsten Treffen im Mai das Thema auf die Agenda setzen. Mehrere andere Bundesländer begrüßten auf Anfrage der Funke-Zeitungen eine Debatte über Reformen.
Man müsse auf der Energieministerkonferenz im Mai „dringend über die zum Teil hohen Preissteigerungen bei der Fernwärme sprechen und Maßnahmen ergreifen“, um Kunden zu schützen, sagte der Hamburger Energiesenator Jens Kerstan (Grüne). Es könne nicht sein, dass Unternehmen Preissenkungen nicht weitergeben und die Kunden mit absurd hohen Abrechnungen konfrontiert würden. Hamburg wolle sich einer entsprechenden Initiative zur Regulierung anschließen oder sie sogar anstoßen.
Auch Kerstans niedersächsischer Amtskollege Christian Meyer (Grüne) begrüßte die Initiative aus Schleswig-Holstein. Eine Besonderheit der Fernwärmeversorgung sei, dass Verbraucher fest an ihren Fernwärmeversorger vor Ort gebunden seien, sagte er. „Für mich ist daher von zentraler Bedeutung, dass wir die Transparenz der Fernwärmeversorgung und die Verbraucherrechte stärken.“
Auf diese Weise müsse sichergestellt werden, dass gesunkene Kosten der Fernwärmeversorger und insbesondere die Preisvorteile der erneuerbaren Energien umfassend bei den Verbrauchern ankommen. „In der Strom- und Gasversorgung haben wir zudem gute Erfahrungen mit einer einheitlichen und spezialisierten Schlichtungsstelle für Streitfälle gemacht, so etwas wäre auch für den Bereich der Fernwärme sinnvoll.“
Armin Willingmann (SPD), Energieminister in Sachsen-Anhalt, befürwortet die Debatte ebenfalls. Er teile „die Einschätzung, dass Preisentwicklungen am Gas- und Heizölmarkt auch bei den Fernwärmepreisen schneller wirksam werden sollten“, sagte Willingmann.
Das bestehende System der AVB stelle grundsätzlich eine gute Grundlage für Verträge zur Fernwärme- und Fernkälteversorgung dar. Aber auch in Sachsen-Anhalt gebe es bei Fernwärmekunden aktuell Unmut über die späte Anpassung der Fernwärmepreise. „Deshalb würde ich es durchaus begrüßen, wenn wir bei der nächsten Energieministerkonferenz Reformvorschläge beraten“, so Willingmann.
Im Energieministerium in Brandenburg sieht man ebenfalls Handlungsbedarf und spricht sich in einem schriftlichen Statement nicht nur für „eine verbraucherfreundliche Novellierung der Fernwärme-Verordnung“ aus, sondern auch für eine „bundeseinheitliche Preisaufsicht“. Eine Änderung der AVB-Fernwärme-Verordnung werde grundsätzlich unterstützt.
Auch die zuständige Senatsverwaltung in Berlin teilt „die Einschätzung, dass Reformbedarf hinsichtlich der Fernwärme-Preisgestaltung besteht“. Baden-Württemberg begrüßt die Initiative. „Wegen der zentralen Bedeutung der Fernwärme auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung ist der zugrundeliegende Rechtsrahmen verstärkt auf den Prüfstand zu stellen“, heißt es auf Anfrage.
Andere Bundesländer zeigten sich zurückhaltender. Es sei richtig, Maßnahmen zur Preissenkung zu prüfen, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD), den Funke-Zeitungen. Wegen der Verschiedenartigkeit der Unternehmen, der Erzeugung und der Netzgegebenheiten vor Ort werde es aber „keine einfachen Lösungen geben“, warnt er. „Mecklenburg-Vorpommern wird die Vorschläge aus Schleswig-Holstein genau prüfen, wenn diese konkret vorliegen. Danach werden wir entscheiden, ob und inwieweit Mecklenburg-Vorpommern da mitgehen kann.“
Aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium heißt es, es dürfe bei einer Reform kein Risiko einseitiger Kostensteigerungen bei den Fernwärmebetreibern verbleiben. Auch der Ausbau der Netze dürfte nicht gehemmt oder verhindert werden. Im grün-geführten Energieministerium von Nordrhein-Westfalen lobt man Pläne der Fernwärmebranche, selbst für mehr Transparenz zu sorgen. Bremen hält Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei den Preisen ebenfalls für einen wichtigen Baustein für mehr Akzeptanz, sieht aber die Bundesregierung in der Verantwortung, hier zu regulieren.
Das saarländische Energieministerium erklärt in einem Statement, die entsprechenden energie-, kartell- und missbrauchsrechtlichen Vorschläge des BMWK abwarten zu wollen. „In diesem Kontext“ heißt es, „ist auch darauf hinzuweisen, dass die gesetzlich vorgegebene Dekarbonisierung des Heizkraftwerks- und Heizwerkssektors sowie der erforderliche Leitungsausbau zu flächendeckend steigenden Fernwärmepreisen führen dürften.“