Mützenich weist Kritik an seinen Ukraine-Äußerungen zurück

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die Kritik an seinen Äußerungen zu einem möglichen Einfrieren des Kriegs in der Ukraine zurückgewiesen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die Kritik an seinen Äußerungen zu einem möglichen Einfrieren des Kriegs in der Ukraine zurückgewiesen. „Wie so oft werden Satzstücke gezielt umgedeutet und skandalisiert“, sagte Mützenich der „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die staatliche Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine ist unser klares Ziel.“

Er habe sich in seiner Rede klar für die Unterstützung der Ukraine auch mit Waffen und Munition ausgesprochen und habe darüber hinaus „angeregt, nicht nur über Militärhilfen, sondern auch über die Bedingungen für ein mögliches Kriegsende nachzudenken“, so Mützenich. „Ich rede damit keinesfalls einer Preisgabe der völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim das Wort. Alle können das in meiner Rede nachlesen“, sagte er.

„Über einen Waffenstillstand und ein Einfrieren der Kämpfe kann nur die ukrainische Regierung entscheiden“, erklärte der SPD-Fraktionschef. „Dies enthebt uns nicht von der Verantwortung, auch über Wege und Perspektiven für die Zeit nach dem Ende des Krieges nachzudenken“, so Mützenich. „Weltweit sind viele territoriale Konflikte, die mit militärischer, einseitiger Gewalt begonnen und geführt wurden, bis heute `eingefroren`. Auch in diesen Fällen, beispielsweise Zypern, Südossetien, Transnistrien und Korea, setzen wir uns für die Wiederherstellung der territorialen Integrität, Unversehrtheit und einen endgültigen Friedensschluss ein“, sagte Mützenich.

„Es geht um Fragen von Krieg und Frieden. Wie mittlerweile auch öffentlich bekannt wurde, stand die Gefahr eines Einsatzes von taktischen Atomwaffen im Raum. Ich erwarte von allen in der politischen Debatte eine Angemessenheit im Ton“, mahnte der SPD-Politiker. „Zeitenwenden sind nichts für politische Spielernaturen.“

Zuvor kam unter anderen Kritik von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Er wirft dem Koalitionspartner SPD vor, die Debatte um eine Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine für Wahlkampfmanöver zu missbrauchen. „Fragen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Existenz der Demokratie in der Ukraine dürfen nicht zum Gegenstand von Vorwahlkampf werden, wie es der Vorsitzende der SPD-Fraktion versucht hat“, sagte Lindner der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte dem TV-Sender „Welt“, die Rede Mützenichs sei ein „Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie“ gewesen. Sie sei eigentlich davon ausgegangen, dass die SPD von ihrer „oftmals naiven Appeasementpolitik gegenüber Russland“ abgerückt sei. Nun müsse die SPD „erst mal für sich klären, was da eigentlich ihre Linie“ sei.

Man könne sich keine Naivität gegenüber Putin leisten, so Lang. „Und es ist klar, dass ein Einfrieren dieses Konfliktes am Ende zu unfassbarem Leid der vielen Menschen in diesen besetzten Territorien führen würde“, sagte die Grünen-Chefin. „Ich setze mich für mehr Unterstützung für die Ukraine ein, weil ich Frieden will. Eine Welt, in der Putin in der Ukraine gewinnt, ist eine Welt, wo er und andere autoritäre Diktatoren lernen, dass sie Grenzen verschieben können und damit durchkommen.“

Der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), warf Mützenich ebenfalls eine gefährliche „Naivität“ in der Haltung zu Russland vor. „Ich glaube, was die SPD in ihrer Naivität nicht verstanden hat, ist, dass zum Verhandeln zwei dazugehören, nämlich nicht nur das Opfer, sondern auch der Aggressor muss bereit sein zu verhandeln“, sagte Hofreiter dem TV-Sender „Welt“. „Mit dieser Strategie untergräbt die SPD – und ihr Fraktionsvorsitzender – auch nur die Chancen auf Verhandlungen, weil er nämlich Putin dazu ermutigt, den Krieg noch weiter zu eskalieren, weil es ein klares Zeichen von Schwäche ist. Also, damit erreicht er das glatte Gegenteil von dem, was er behauptet, erreichen zu wollen, nämlich den Krieg zu beenden.“

Mützenichs Aussagen seien gefährlich für die Sicherheit und den Frieden innerhalb der Europäischen Union und der Nato. „Alle unsere Verbündeten um uns herum sehen diese Strategie des Appeasement als gefährlich an, weil sie auch gefährlich ist“, so Hofreiter. „Und man muss sich darüber im Klaren sein: Solche Aussagen werden im Kreml als Aufforderung empfunden, den Krieg auszuweiten und weitere Länder anzugreifen.“

Hofreiter sieht die Haltung Mützenichs als Problem für die Ampel-Koalition – aber auch für ganz Deutschland. Das Ansehen Deutschlands in der Welt sieht Hofreiter durch eine pro-russische Politik in der Vergangenheit ohnehin beschädigt. „Solche Aussagen sind ein Problem für die Koalition, sie sind vor allem ein Riesenproblem für das Standing von Deutschland. Annalena Baerbock hat unter anderem jahrelang daran gearbeitet, den Vertrauensverlust, den Deutschland mit Nordstream 2, mit der Naivität gegenüber Putin, mit dem Agieren von Schröder verursacht hat in ganz Europa, diesen Vertrauensverlust auszugleichen. Und all das reißen Mützenich und Scholz wieder ein. Unsere Verbündeten sind entsetzt.“

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter geht davon aus, dass die Äußerung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zu einem Einfrieren des Ukraine-Krieges mit dem Kanzleramt abgesprochen war. „Das ist ein Versuchsballon“, sagte er dem TV-Sender „Welt“. „Und wir kennen jetzt die wahren Gründe der Taurus-Ablehnung, nämlich: Die SPD möchte den Konflikt einfrieren und damit eine Fortsetzung dessen, was 2014 und 2015 Minsk 1 und Minsk 2 bedeutet haben: Massenflucht, Vertreibung, Kriegsverbrechen.“ Mit der Idee des Einfrierens sehe man, „dass die SPD nach wie vor eine Russlandromantik hat, die uns in Deutschland jetzt furchtbar einholt“, so Kiesewetter.

Mit der von Mützenich vorgetragenen SPD-Haltung „widerspricht die SPD auch dem gerade erst abgeschlossenen Sicherheitsabkommen, in dem es steht, die Wiederherstellung der Grenzen von 1991 zu erreichen“, kritisierte Kiesewetter. „Mit dieser Position der Partei des Bundeskanzlers Scholz beendet die SPD die außen- und sicherheitspolitische Zeitenwende. Sie nimmt damit auch eine absolute Gegenposition zu Macron ein, der heute Deutschland besucht. Und damit ist klar, dass die Bundesrepublik Deutschland sich über die SPD völlig anders definiert als die meisten europäischen Staaten.“ Deutschland isoliere sich damit „eindeutig in der Nato und in der Europäischen Union“, so Kiesewetter. „Es wird um Deutschland künftig herum geplant werden.“

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verlangte eine rasche Erklärung des Bundeskanzlers und der SPD zum Ukraine-Kurs der Bundesregierung. „Wenn Rolf Mützenich, der als Vorsitzender ja für die gesamte SPD-Fraktion spricht, ernsthaft ein Einfrieren des Ukraine-Kriegs fordert, rückt die Kanzlerpartei SPD offenkundig von der vereinbarten Zeitenwende ab“, sagte Strack-Zimmermann dem „Stern“. „Das ist inakzeptabel und muss schnellstens in der Koalition geklärt werden.“

Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl verurteilte die Bundestagsrede Mützenichs scharf. „Ich bin entsetzt, dass Rolf Mützenich ernsthaft vorschlägt, den Ukraine-Krieg einzufrieren“, sagte Strack-Zimmermann. „Eingefrorener Mist bleibt auch nach dem Auftauen Mist.“




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