Die FDP pocht auf eine Enquete-Kommission zur Corona-Pandemie im Parlament, während die Grünen sich gegen ein solches Gremium stellen. „Wir sollten die Fehler ebenso wie die richtigen Entscheidungen während der Corona-Pandemie reflektieren und aus diesen lernen“, sagte Johannes Vogel, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, dem „Spiegel“.
Erforderlich sei eine Kommission zur Aufarbeitung von Pandemie, Maßnahmen, Freiheits- und Grundrechtseinschränkungen sowie gesellschaftlicher Folgen. „Hierfür eignet sich eine Enquetekommission im Deutschen Bundestag besonders gut“, so Vogel. Er fordert, diese „zeitnah“ einzusetzen, um mit ausreichend Vorlauf vor dem Ende der Legislaturperiode mit dieser Aufarbeitung zu beginnen.
Die Idee hatten die Liberalen schon früher geäußert. Sie geht zurück auf Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki und den Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann, die im Februar 2023 ein Positionspapier mit der Forderung nach einer Enquetekommission präsentiert hatten.
Auch Linken-Politiker Gregor Gysi sprach sich für eine Enquete-Kommission aus. „Diese Enquete-Kommission muss klären, welche Maßnahmen richtig und notwendig waren, welche bei einem ähnlichen Fall nicht wiederholt werden dürfen und ob es wesentlich weniger beeinträchtigende Alternativen zu den getroffenen Entscheidungen gibt“, sagte Gysi dem Nachrichtenportal „T-online“ am Dienstag. Als Beispiele nannte Gysi jene Maßnahmen, die zu Schulausfall und zur Isolierung von Kindern geführt hätten, sowie generelle Fragen einer Impfpflicht.
„Die Enquete-Kommission hätte viel zu tun“, so Gysi weiter. Der Bundestag sei verpflichtet, all dies aufzuarbeiten und der Bevölkerung entsprechende Auskünfte zu erteilen. Von der Unionsspitze im Bundestag habe es im Herbst auf einen entsprechenden Linken-Vorschlag geheißen, man sei für eine Enquete-Kommission in der nächsten Legislaturperiode. „Wir werden darauf auf jeden Fall zurückkommen.“
Die Grünen sind gegen eine Enquete-Kommission und warnen vor den möglichen Folgen. „Eine Enquete-Kommission oder gar ein Untersuchungsausschuss wäre jetzt das falsche Instrument und würde vor allem für parteipolitische Profilierung missbraucht werden“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Janosch Dahmen, dem Nachrichtenportal. „Das hilft niemandem.“
Solche Gremien würden von jenen besonders laut gefordert, „die sich erkennbar über die andauernde, unabhängige, wissenschaftliche Aufarbeitung hinwegsetzen wollen, um mit populistischen Parolen politische Duftmarken zu setzen“, kritisierte Dahmen. „Als Arzt und Politiker finde ich es vor dem Hintergrund der unzähligen Opfer falsch, die Aufarbeitung der Pandemie nun für die anstehenden Wahlkämpfe instrumentalisieren zu wollen.“
Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, hat bereits im September 2020 ein „unabhängiges Gremium für Pandemievorbereitung und -reaktion“ eingesetzt, um die Reaktion auf die Corona-Pandemie sowie Präventionsmaßnahmen laufend und evidenzbasiert zu untersuchen. Das Gremium hat seitdem Vorschläge zur Verbesserung der Prävention und Reaktion auf Pandemien unterbreitet und mehrere Artikel in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht. Zu den empfohlenen Maßnahmen gehören unter anderem eine verstärkte unabhängige Überwachung neuer Viren sowie ein gerechterer Zugang zu medizinischen Gegenmaßnahmen.