Im regierungsinternen Haushaltsstreit hat Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) davor gewarnt, dass die Kürzung ihres Etats beispielsweise Flüchtlingswellen zur Folge haben könnte. „Wo sollen denn die Menschen in den Flüchtlingscamps bleiben, wenn die UN-Hilfswerke die Rationen kürzen und kein Geld für Schulen oder Wasserversorgung mehr da ist?“, sagte die SPD-Politikerin dem „Tagesspiegel“ (Mittwochausgabe) in Bezug auf die nach dem Bundeswehrabzug aus Mali versprochene Hilfe für die Sahelregion, die nun von den Kürzungen bedroht ist. „Diesen Fehler, den wir 2015 in den Nachbarländern Syriens gemacht haben, sollten wir nicht wiederholen.“ Man wisse „aus der damaligen Flüchtlingskrise, dass es sehr viel günstiger gewesen wäre, finanziell vor Ort zu helfen“.
Die bisherige Entwicklungszusammenarbeit mit der Region halte zudem junge Männer davon ab, ihr Geld bei verschiedenen Milizen zu verdienen. „Damit aufzuhören, hätte letztlich auch Folgen für Deutschland und Europa – und zwar als Terrorgefahr“, sagte Schulze weiter. „Ich kann nur davor warnen.“
Bei weiteren Kürzungen ihres Etwats „würde zu empfindlichen Einschnitten unseres Engagements kommen – in der Ukraine und anderswo“, so die SPD-Politikerin. „Deutschland ist in dieser schwierigen Zeit nicht weniger, sondern mehr auf Partnerschaften angewiesen“. Wo sich die Bundesrepublik zurückziehe, engagierten sich dann China und Russland umso stärker, so Schulze. „Ob das für eine Exportnation klug ist, wage ich zu bezweifeln.“
Schulze sieht zudem konkrete Belastungen und Bedrohungen auf Deutschland zukommen, sollte etwa die nach dem Bundeswehrabzug aus Mali versprochene Hilfe für die Sahelregion gekürzt oder gar eingestellt werden müssen.
Auch im Nahen Osten müsse Deutschland mittel- und langfristig „eher mehr als weniger“ Geld in die Hand nehmen müssen. „Wenn ein eigenständiger palästinensischer Staat entstehen soll, braucht er tragfähige demokratische und wirtschaftliche Strukturen“, sagte die Entwicklungsministerin. „Dies ist auch im Interesse Israels.“
Schulze äußerte sich dennoch optimistisch, dass die grundlegenden Meinungen innerhalb der Ampelregierung überwunden werden könnten. „Deutschland wird sich nicht aus der Welt zurückziehen. Wir werden in den Haushaltsverhandlungen eine Lösung finden.“
Laut „Süddeutscher Zeitung“ soll nach den Vorgaben des Bundesfinanzministeriums unter Leitung von Christian Lindner (FDP) für den Haushalt des Entwicklungsministeriums ein Plafond von 9,878 Milliarden Euro gelten. In der sogenannten mittelfristigen Finanzplanung waren für 2025 noch 10,3 Milliarden Euro vorgesehen. Zum Vergleich: 2023 standen dem Ministerium unter Leitung von Svenja Schulze (SPD) noch 12,16 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die Ampelkoalition hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, mindestens 0,7 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung für Entwicklungspolitik aufzuwenden. Diese sogenannte „ODA-Quote“ wäre nach den neuen Sparvorgaben trotz einer schwächelnden Wirtschaft wohl nicht erfüllt. Die 1970 getroffene Vereinbarung, die zuletzt 2015 durch die Verabschiedung der UN-Entwicklungsziele erneut verankert worden ist, wurde 2023 von Deutschland erst zum fünften Mal erreicht.