In der SPD wächst der Druck auf Kanzler Olaf Scholz, notfalls der FDP die Koalitionsfrage zu stellen und einen Bruch zu riskieren, wenn es beim geplanten Sparhaushalt für das kommende Jahr bleiben soll.
„Wir brauchen einen Plan B, wenn es am 3. Juli Spitz auf Knopf steht und Olaf Scholz keine 30 Milliarden Einsparungen mitmachen kann, Christian Lindner sich aber ebenfalls nicht bewegt“, sagt der Parteilinke und Bundestagsabgeordnete Tim Klüssendorf der „Süddeutschen Zeitung“. Denn einen solchen Sparhaushalt werde es mit der SPD nicht geben. Mit einem Sparkurs in das Bundestagswahljahr 2025 zu gehen, wird intern als „Sargnagel“, als weiteres Konjunkturprogramm für die AfD beschrieben. Auch im Parteipräsidium wächst hier der Widerstand deutlich.
Für Sonntagnachmittag ist nach Informationen des SZ eine Sondersitzung des SPD-Präsidiums angesetzt worden, parallel muss Scholz mit FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) eine Lösung in Sachen Bundeshaushalt 2025 finden. Lindner will partout keine neue Notlage erklären oder auf andere Weise die Schuldenbremse lockern. Am 3. Juli, so hat es Scholz gesagt, soll der neue Haushalt vom Kabinett beschlossen werden – Scholz hatte sich deutlich an Lindners Seite gestellt, der Einsparungen im zweistelligen Milliardenbereich plant.
Doch Teile der Fraktion verweigern ihm hier nun die Gefolgschaft. Neu ist auch, dass offen wie bisher noch nie in der SPD deutliche Kritik am Kanzler geübt wird, wie beispielsweise in der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag. Dass er das historisch schlechte Wahlergebnis von 13,9 Prozent bei der Europawahl zunächst unkommentiert ließ, dass er wie von der Realität auf Abgeordnete entkoppelt wirkte, vor allem aber, dass er keine Idee darlegen konnte, wie diese Koalition beim Haushalt und generell noch zusammenfinden soll, sorgt dem Bericht zufolge für kritische Töne.
Bei der Wahlanalyse rückt immer deutlicher in den Fokus, dass man mit Blick auf die Erfolge der AfD in Sachen Migration und innere Sicherheit die Stimmung unterschätzt habe. „Wir müssen dringend nicht nur für die äußere, sondern auch für die innere Sicherheit mehr Geld zur Verfügung haben“, sagte der Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler der SZ. Er ist von Beruf Kriminalbeamter. „Die Lage ist sehr, sehr ernst und die Zeitenwende muss sich auch bei der Bundespolizei und dem BKA niederschlagen.“
Die FDP müsse verstehen, „dass das Beschneiden von Befugnissen und ein Sparhaushalt im Innenministerium unsere Sicherheit massiv gefährden“. In besagter Fraktionssitzung hatte er im Beisein des Kanzlers auch auf die enorme Zunahme von Messerangriffen und auf die hohen Zahlen bei nicht deutschen Tatverdächtigen hingewiesen. Es gebe im Feld der Kriminalpolitik die höchsten Kompetenzwerte bei Union und AfD. „Die Lage im Innenbereich ist viel dramatischer, als viele es wahrhaben wollen“, sagte Fiedler.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese mahnt einen härteren Kurs bei der Begrenzung der Migration und Abschiebungen an und verweist auf das dänische Modell mit härteren Regeln. Juso-Chef Philipp Türmer griff Wiese dafür scharf an. Wer die eigenen Werte aufgeben wolle, möge bitte Wiese folgen. Dieser sagte dazu der SZ: „Das Thema Migration muss ohne Scheuklappen diskutiert werden. Mit Blick auf die Wahlergebnisse gerade bei den jungen Menschen kann ich dem Juso-Vorsitzenden nur zur Selbstkritik raten.“ Bei jungen Wählern hatte die AfD deutlich zugelegt.