Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, zeigt sich skeptisch gegenüber dem Gesetz zur geplanten Notfallreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Ob es Ressourcen für 24/7-Hausbesuche, Telemedizin und Notfallpraxen in den Abendstunden gibt, ist sehr fraglich“, sagte Ullmann der „Welt“. „Eine Reform kann nicht auf Voraussetzungen basieren, die nicht erfüllbar sind. Deshalb müssen wir das Gespräch mit der Ärzteschaft suchen, um zu evaluieren, was leistbar ist und was nicht.“
Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, weist die Kritik zurück. „Die Annahme, dass der gleiche Arzt, der eine Hausarztpraxis führt, jetzt zusätzlich im Notfallzentrum oder in der Gesundheitsleitstelle arbeiten oder nachts Hausbesuche abstatten soll, ist falsch“. Ärzte, die sich für den Bereitschaftsdienst bereit erklärten, seien längst oft haupt- oder nebenberuflich angestellte Allgemein- und Notfallmediziner. „Ich nehme wahr, dass viele jüngere Ärztinnen und Ärzte großes Interesse haben, solche Dienste in der Akut- und Notfallmedizin zu übernehmen“, so Dahmen.
Änderungsbedarf am Gesetz gebe es hingegen an anderer Stelle: bei den Öffnungszeiten der integrierten Notfallzentren. Diese lauten aktuell: Montag, Dienstag und Donnerstag von 18 bis 21 Uhr, Mittwoch und Freitag von 14 bis 21 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 21 Uhr. „Diese Uhrzeiten kann sich kein Mensch merken, wir brauchen jeden Tag die gleichen Öffnungszeiten, und das möglichst bundeseinheitlich“, fordert Dahmen. Weder die Art der Notrufnummer noch die Uhrzeit dürften künftig darüber entscheiden, ob der Patient zielgerichtet Hilfe bekommt.
Außerdem sei es dringend notwendig, in das Gesetz auch Neuregelungen zum Rettungsdienst aufzunehmen, so der Grüne. Lauterbach hatte ursprünglich ein eigenes Gesetz zum Rettungsdienst angekündigt, ist nun aber offenbar aus Zeitgründen von dem Vorhaben abgerückt.
Stattdessen soll das Thema in die Notfallreform im Zuge des parlamentarischen Verfahrens einfließen. „Die Reform der Notfallversorgung kann nur dann Wirkung entfalten, wenn wir auch grundlegende Änderungen beim Rettungsdienst umsetzen“, mahnt Dahmen.
Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, vermutet hinter der Entscheidung, kein eigenes Gesetz zum Rettungsdienst vorzulegen, ein Kalkül des Gesundheitsministers: „Durch die Hintertür soll das Vorhaben in die Notfallreform integriert werden. Das ist nicht nur ein gesetzgeberisches Chaos mit Ansage, sondern eine neuerliche Kampfansage an die Länder.“
Die Zuständigkeit der Länder für das Rettungswesen sei im Grundgesetz verankert. Werde Lauterbach die Reform nicht mit ihnen gemeinsam entwickeln, drohe ein weiterer Konflikt wie bei der Krankenhausreform.