Wegen rassistischer Parolen zu Partyhit 368-mal Polizei gerufen

Bundesweit ist mindestens 360-mal die Polizei gerufen worden, weil zu dem italienischen Popsong "L`amour Toujours" rechtsextreme Parolen gesungen wurden.

Bundesweit ist mindestens 360-mal die Polizei gerufen worden, weil zu dem italienischen Popsong „L`amour Toujours“ rechtsextreme Parolen gesungen wurden. Das zeigt eine Erhebung des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (Mittwochausgabe) unter allen Bundesländern.

Demnach wurden die Ordnungshüter zwischen Oktober 2023 und Juni 2024 in mindestens 368 Fällen eingeschaltet, weil zur Melodie des Liedes von Gigi D`Agostino die Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gesungen wurde. Von den Landeskriminalämtern (LKA) wurden dabei sowohl Vorfälle auf öffentlichen Volksfesten und in Discotheken als auch auf privaten Feiern und mehrfach an Schulen erfasst.

Die Formel „Deutschland den Deutschen“ war nach dem Ersten Weltkrieg die Losung des „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes“, der als einflussreichster antisemitischer Verband der Zeit und als zentraler Wegbereiter der Nationalsozialisten gilt. Ab den 1980ern wurde die Parole von der NPD und Organisationen des Milieus genutzt, so auch 1992 beim Pogrom von Rostock-Lichtenhagen.

Die meisten Fälle der Parole wurden dem RND aus Nordrhein-Westfahlen gemeldet: Von November 2023 bis einschließlich Juni 2024 wurde laut LKA 96-mal die Polizei gerufen, weil beim Abspielen des Liedes verfassungsfeindliche oder ausländerfeindliche Äußerungen gemacht wurden. Das LKA in Baden-Württemberg zählte bis Anfang Juli 2024 insgesamt 40 solcher Fälle, in Mecklenburg-Vorpommern wurde der Polizei zwischen Oktober 2023 und Juni dieses Jahres 45-mal eingeschaltet. 39 der 45 Fälle sind auf Juni 2024 datiert.

Die Sprecherin des LKA Hessen, Laura Kaufmann-Conrad, sagte dem RND, dass aus dem Bundesland keine Vorfälle aus der Zeit vor November 2023 bekannt seien. „Man kann durchaus von einer Häufung entsprechender Vorfälle in jüngerer Vergangenheit sprechen.“ Seitdem seien aus Hessen bislang 25 Fälle bekannt, bei denen wegen des Verdachts volksverhetzender Äußerungen Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien. Die Verfahren laufen noch bei den jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften, teilte das Landeskriminalamt den Zeitungen mit. Auch in Hamburg ermittelt der Staatsschutz des LKA Hamburg in fünf Verfahren im Zusammenhang mit dem Song.

Mehrere Bundesländer haben erfasst, wie oft Jugendliche in die Vorfälle verwickelt sind. Demnach wurde das Lied mit den Parolen in Mecklenburg-Vorpommern in zwei Fällen auf einem Schulhof gesungen, je einmal als Instagram- und als Snapchat-Video von Minderjährigen hochgeladen, von einer Jugendgruppe in einem Garten gesungen sowie von zwei Schülern auf dem Schulweg in der Nähe von Rostock skandiert und von einer Schülerin während des Unterrichts in Saßnitz gesungen.

Laut LKA waren in Baden-Württemberg bei rund einem Viertel der Fälle Minderjährige beteiligt. Auch in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden Vorfälle im Zusammenhang mit dem Lied angezeigt, an denen auch Minderjährige beteiligt waren. In Hessen fanden drei der Vorfälle an Schulen statt.

Ein einheitliches Vorgehen bei den zuständigen Behörden zeigt sich bislang nicht. Die Berliner Polizei ist der Ansicht, dass das Lied an sich keine Straftat darstellt. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Neuruppin in Brandenburg ist auch die Parole nicht per se strafbar. Erst in Verbindung mit dem Tragen einer Uniform oder Andeuten des Hitlerbärtchens läge ein strafbares Verhalten vor.

Ende Mai hatte ein auf Sylt aufgenommenes Handyvideo für Debatten gesorgt, in dem Partybesucher das umgetextete Lied singen. Unter anderem hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Parolen in dem Video als „ekelig“ und „nicht akzeptabel“ bezeichnet.




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