Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat sich am Mittwochabend in einer Rede vor dem US-Kongress erneut gegen den Friedensplan von US-Präsident Joe Biden ausgesprochen und die Abgeordneten zu einem „Kampf gegen die Barbarei“ aufgerufen.
„Ich schätze Amerikas Unterstützung sehr, auch in diesem aktuellen Krieg“, sagte er. „Aber dies ist ein außergewöhnlicher Moment, in dem ein beschleunigtes Vorgehen bei der US-Militärhilfe den Krieg in Gaza dramatisch beschleunigen und dazu beitragen könnte, einen breiteren Krieg im Nahen Osten zu verhindern.“
Netanjahu dankte US-Präsident Joe Biden, stellte sich jedoch auch implizit gegen dessen Friedensplan, der auch von den G7-Staaten und vom UN-Sicherheitsrat unterstützt wird. „Israel wird so lange kämpfen, bis wir die militärischen Fähigkeiten der Hamas und den Gazastreifen wirklich zerstören und alle unsere Geiseln nach Hause bringen. Das ist es, was totaler Sieg bedeutet, und wir werden uns mit nichts weniger zufriedengeben.“ Biden hält dagegen das Kriegsziel Israels für bereits erreicht. Im Mai hatte er bei der Vorstellung seines Drei-Phasen-Planes beteuert, dass die Hamas zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr in der Lage sei, einen weiteren 7. Oktober durchzuführen.
Netanjahu gab an, auch die Freiheit der USA zu verteidigen. „Dies ist kein Kampf der Zivilisationen, es ist ein Zusammenstoß zwischen Barbarei und Zivilisation“, sagte er unter Applaus von Abgeordneten und in Anwesenheit mehrerer befreiter Geiseln. „Es ist ein Zusammenstoß zwischen denen, die den Tod verherrlichen, und denen, die das Leben heiligen. Damit die Kräfte der Zivilisation triumphieren können, müssen Amerika und Israel zusammenstehen.“
Dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), Karim Khan, warf Netanjahu „gefährliche“ Lügen vor. Der ICC versuche, Israel „die Hände zu fesseln“ und das Land daran zu hindern, sich selbst zu verteidigen. „Wenn Israel die Hände gebunden sind, ist Amerika als nächstes dran“, so Netanjahu. „Die Fähigkeit aller Demokratien, den Terrorismus zu bekämpfen, wird gefährdet sein.“
Der Premierminister verteidigte das völkerrechtlich umstrittene Vorgehen der israelischen Streitkräfte in Gaza und die von internationalen Organisationen und Verbündeten als unzureichend kritisierten Hilfslieferungen. Er behauptete, wenn es Palästinenser in Gaza gebe, die nicht genug Nahrung bekommen, „dann nicht, weil Israel sie blockiert, sondern weil die Hamas sie stiehlt“. Zivilisten in Gaza würden durch das Militär mit Flyern, SMS-Nachrichten und Telefonaten gewarnt werden.
Im Vorfeld der Rede hatte es scharfe Kritik am Besuch Netanjahus gegeben. Tausende hatten wenige Straßen vom Kapitol entfernt an Demonstrationen gegen den israelischen Premierminister teilgenommen. Auf Bannern wurde dort Netanjahu als Kriegsverbrecher bezeichnet, ein freies Palästina und ein Ende von Waffenlieferungen gefordert. Israel wurde zudem ein „Genozid“ vorgeworfen. Mehrere Protestierende stellten den israelischen Regierungschef mit Teufelshörnern dar und mit Blut, das ihm aus dem Mund läuft.
Am Vortag hatten hunderte Aktivisten von „Jewish Voice for Peace“, einer Organisation, die der BDS-Kampagne nahesteht, in einem Gebäude des Parlaments protestiert. Sie zeigten sich überzeugt, dass Israel einen Genozid begehe und forderten, die Waffenlieferungen an das Land zu beenden. Die Polizei räumte das Gebäude, nachdem Aufforderungen zum Stopp des Protests nicht Folge geleistet wurde. Die Aktivisten gelangten legal in das Gebäude, in dem Proteste allerdings untersagt sind.
Den Protestierenden warf Netanjahu vor, auf der Seite von Vergewaltigern und Mördern zu stehen, von Iran bezahlt worden zu sein und Irans „nützliche Idioten“ zu sein. Die Demonstranten würden „from the river to the sea“ skandieren, hätten aber keine Ahnung, von welchem Fluss und welchem Meer sie reden, so der israelische Regierungschef.
Die voraussichtliche Kandidatin der Demokraten im US-Präsidentschaftswahlkampf, Kamala Harris, war aufgrund eines Terminkonflikts bei der Rede nicht anwesend. Die amtierende Vizepräsidentin soll Netanjahu jedoch nach Angaben des Weißen Hauses am Donnerstag separat treffen. Weitere Zusammenkünfte sind mit US-Präsident Joe Biden sowie mit dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Ex-Präsident Donald Trump, geplant.