Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat sein Eintreten für Waffenlieferungen an die Ukraine noch vor dem russischen Überfall im Februar 2022 als schwerste politische Entscheidung seines Lebens bezeichnet. „Ich habe eigentlich immer mit der Position gehadert, wir liefern keine Waffen in Kriegsgebiete“, sagte der Grünen-Politiker dem Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben).
Bei einem Besuch im Donbass im Mai 2021 habe er erkannt, dass er diese Position nicht länger vertreten konnte. „Ich merkte also, dass ich da an der Grenze der Unaufrichtigkeit agiert habe und dann habe ich sehr lange überlegt, ob ich aussprechen sollte, was ich richtig fand“, sagte der voraussichtliche Kanzlerkandidat der Grünen für die kommende Bundestagswahl.
Habeck räumte ein, mit diesem Vorstoß seiner Partei kurz vor der Bundestagswahl 2021 geschadet zu haben. Er habe den Wahlkampf der damaligen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock „ohne Frage gestört an der Stelle“. Das sei ihm bewusst gewesen. „Deswegen war das die schwerste Entscheidung.“
Mit der Aussage habe er seine politische Identität über die Raison der Partei gestellt, so Habeck. Er hätte seiner Partei und auch Baerbock überhaupt nicht schaden wollen. „Aber es war ein Moment, wo ich mich einfach verraten oder verleugnet hätte, wenn ich nicht wenigstens das gesagt hätte.“
Habeck gab zu, die Reaktionen unterschätzt zu haben. „Und vielleicht habe ich auch nicht gewusst, wie groß die Berichterstattung werden würde. Ich meine, ich war Oppositionspolitiker, ich war nicht Minister“, sagte er. „Mir war es wichtig für das, was mich ausmacht, das so deutlich und klar zu sagen, dass daraus dann die Presselage jedenfalls für zwei, drei Tage dominierende Debatte wird. Das war mir dann auch nicht klar an der Stelle.“
Habeck machte deutlich, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sehe wie er selbst die Gefahr einer Ausweitung des Krieges, komme aber zu anderen Schlussfolgerungen. „Wir haben da wirklich viel und immer wieder drüber geredet. Ich habe seine Motive mehrfach gehört und auch verstanden“, sagte er. „Ihn treibt die Sorge natürlich wie uns alle um, dass dieser Krieg eskaliert. Und er kommt dann zu anderen Abwägungsentscheidungen, als ich sie treffen würde. Aber es ist nicht Naivität. Bestimmt nicht.“ Auf die Nachfrage, ob es Angst vor Putin sei, entgegnete der Wirtschaftsminister: „Fragen Sie Olaf Scholz.“
Mit Blick auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA rief Habeck die Europäer zu mehr Gemeinsamkeit auf. „Auf die Ukraine bezogen hieße das, dass Europa natürlich, wenn es entschlossen handeln würde, eine größere Sicherheitsleistung bringen kann“, sagte er. Kurzfristig sicherlich wäre der Ausfall der USA „kaum zu verkraften, aber kurzfristig kann ja auch sehr kurzfristig sein“, so Habeck. Die Frage aller Fragen sei, ob man erkenne, was die Stunde weltpolitisch geschlagen hat.
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