Nach dem kontroversen Ukraine-Gipfel im Pariser Elysée-Palast Anfang der Woche lobt Estlands Regierungschefin Kaja Kallas den Gastgeber, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, für sein Engagement aufseiten Kiews. „Der Gipfel kam zur richtigen Zeit, Präsident Macron hat den Geist des Sieges betont“, sagte Kallas dem „Stern“.
„Der Sieg der Ukraine muss unser Ziel sein, sonst erreichen wir nichts. Das war der Geist dieses Treffens.“ Bei einer Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen hatte Macron die Entsendung von Nato-Bodentruppen in die Ukraine nicht ausgeschlossen. Darauf hatte Bundeskanzler Scholz verärgert und mit einem scharfen Dementi reagiert.
Dazu sagte Kallas: „Wir haben in Paris hinter verschlossenen Türen sehr offen debattiert. Es gab unterschiedliche Vorschläge, nicht alle trafen auf Zustimmung aller Seiten. Aber es ist gut, dass wir alle Optionen diskutieren.“
Klar sei aber auch, dass „in verschiedenen Ländern die öffentliche Meinung dazu unterschiedlich ist. Darauf müssen politische Führungsfiguren Rücksicht nehmen.“ Wenige Tage vor dem Pariser Treffen hatte Kallas bei einer Rede in Hamburg in Anwesenheit des Bundeskanzlers gesagt, auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar habe sie mit Blick auf die Ukraine „einen Geist des Sieges vermisst“. Das sei in Paris anders gewesen, sagte sie nun dem Magazin.
Zur ausführlichen Erklärung des Bundeskanzlers von Anfang der Woche, keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, sagte Kallas: „Deutschland hat sehr viel für die Ukraine getan, das machen die absoluten Zahlen der deutschen Militärhilfe deutlich. Frankreich tut auch viel, um die Ukraine zu unterstützen.“ Es sei sehr wichtig, dass beide Länder eine Führungsrolle bei der Unterstützung der Ukraine übernähmen und auf einen Sieg der Ukraine hinarbeiteten.
„Wir sollten keine Angst vor unserer eigenen Macht haben und Russlands Macht nicht überschätzen. Die Furcht vor einer Eskalation führt dazu, dass wir uns kleiner machen, als wir sind. Das ist falsch“, so Kallas. „Russland weiß, dass die Nato militärisch überlegen ist und will einen Konflikt mit der Nato genauso wenig wie wir mit Russland.“ In Anspielung auf Frankreichs und Großbritanniens Lieferungen eigener Marschflugkörper an Kiew sagte die estnische Premierministerin: „Wenn die Ukrainer deswegen keine Angst vor einer Eskalation haben, dann sollten wir es auch nicht.“