Es sei nicht seine Aufgabe, die Strafverfolgung von einzelnen Personen zu empfehlen, vielmehr stelle die EU die Werkzeuge, damit die Justiz ihre Aufgabe erfüllen könne, sagte Reynders den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben). Er fügte aber hinzu: „Wenn Strafverfolger auch an der höchsten Ebene ansetzen wollen, sollen sie es tun.“
Reynders machte deutlich, dass Putin in diesem Fall bis zu seinem Lebensende Konsequenzen fürchten müsste: Im Ukraine-Krieg würden zum ersten Mal solche Verbrechen vom ersten Tag des Krieges an untersucht. „Für die Täter besteht für den Rest ihres Lebens das Risiko, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das gilt natürlich auch für Putin, wenn sich die Strafverfolgung auch auf ihn erstrecken sollte“, sagte Reynders. Er zeigte sich „ziemlich sicher“, dass die ersten internationalen Kriegsverbrecher-Prozesse gegen russische Täter noch in diesem Jahr beginnen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) sei schon recht weit, auch wenn es um sehr komplexe Fragen gehe. Es sei wichtig, dass die Ukraine den ICC-Vertrag ratifiziere. „Dann ist es dem Internationalen Strafgerichtshof möglich, vor Ort alle möglichen Kriegsverbrechen zu untersuchen, von beiden Seiten“, sagte der Justizkommissar. Er fügte hinzu, es gebe keine Anzeichen für Kriegsverbrechen auf Seiten der Ukraine: „Der Aggressor ist ja Russland.“ Die ukrainischen Behörden hätten inzwischen Beweise in 37.000 Fällen gesammelt. Der Justiz-Kommissar zeigte sich offen für die Forderung der Ukraine, ein internationales Tribunal einzurichten, damit auch das Verbrechen eines Angriffskriegs verfolgt werden kann, was dem ICC nicht möglich ist. „Ich möchte, dass wir zuerst alle vorhandenen Instrumente nutzen. Aber es wäre eine Möglichkeit, ein zusätzliches Gericht zu bilden mit ukrainischen und internationalen Richtern und der Unterstützung der Vereinten Nationen“, sagte Reynders.
Die EU-Kommission sei in dieser Frage offen. Möglicherweise würden die G7-Staaten im November darüber sprechen.