Die EU-Kommission erwägt laut SPD-Innenpolitiker Helge Lindh eine erneute Verlängerung des temporären Schutzes für Ukraine-Flüchtlinge. Dieser läuft aktuell am 4. März 2025 aus: „Es ist absehbar, dass der Krieg in der Ukraine drei Jahre nach dem Beginn der russischen Invasion noch nicht beendet sein wird“, sagte Lindh der „Welt“. „Daher werden die Ukrainer den vorübergehenden Schutz auch nach dem März 2025 benötigen.“
Die Europäische Kommission habe bereits die ersten Schritte eingeleitet, „um eine einheitliche Regelung für die Mitgliedstaaten zu erarbeiten“, sagte Lindh. Ein Vorschlag beinhalte, den entsprechenden Artikel der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz „flexibel“ anzuwenden und eine jährliche Verlängerung des Schutzstatus` zu ermöglichen. „Eine solche Herangehensweise hätte zur Folge, dass die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz erneut bis März 2026 verlängert würde“, sagte Lindh. „Die Mitgliedstaaten haben sich für diesen Lösungsansatz bisher einhellig ausgesprochen.“
Eine Kommissionssprecherin sagte der „Welt“, dass die Kommission bislang keinen Vorschlag zu einer Verlängerung des temporären Schutzes über das Jahr 2025 hinaus gemacht habe. „Die Gespräche mit den Mitgliedstaaten und den ukrainischen Behörden über einen verlängerten Aufenthalt von Menschen, die aus der Ukraine in die EU geflohen sind, über das Jahr 2025 hinaus dauern an.“ Eine der Optionen, die derzeit mit den Partnern und den Mitgliedstaaten diskutiert werde, beziehe sich auf Artikel 4, Absatz 2 der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz. Dieser Artikel ermöglicht die Verlängerung des Schutzstatus, wenn die Gründe für den Schutz weiter fortbestehen.
Migrationsexperten aller Ampel-Fraktionen sprachen sich für die Verlängerung aus. Dabei sei es aber wichtig, „dass alle Länder ihrer Verantwortung solidarisch nachkommen, indem die Standards angeglichen werden“, sagte Lindh. Dazu gehörten unter anderem Unterbringungsstandards sowie Teilhabemöglichkeiten für die Ukrainer in dem Aufnahmestaat.
Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sagte, dass eine Verlängerung des Schutzstatus nach der Aufnahmerichtlinie notwendig sei, weil nicht damit zu rechnen sei, dass der Krieg 2025 vorbei sei. „Dann müssen aber wichtige Fragen geklärt werden. Zum einen müssen wir die freie Wohnortwahl überdenken, denn momentan gibt es mehr ukrainische Flüchtlinge in Baden-Württemberg als in ganz Frankreich. Zum zweiten müssen ukrainische Flüchtlinge registriert werden, damit wir einen verlässlichen Überblick haben, wer sich eigentlich wo aufhält.“
Die Grünen im Bundestag forderten, „aufenthaltsrechtliche Anschlussperspektiven an den vorübergehenden Schutz bereits jetzt aufzugreifen und umzusetzen“. Mögliche Maßnahmen seien „Aufenthaltstitel zu Ausbildungs- und Erwerbszwecken, die Privilegierung der Ukraine in der Beschäftigungsverordnung oder die Einführung einer Niederlassungserlaubnis nach dreijährigem legalem Aufenthalt, die auch im Koalitionsvertrag steht“, sagte ihre Migrationsexpertin Filiz Polat.
Um der Situation in der Ukraine gerecht zu werden, müssten zugleich transnationale Lösungen wie die zirkuläre Mobilität in den Blick genommen werden. „Denn die hier integrierten und ausgebildeten Fachkräfte sind zugleich Garanten für den Wiederaufbau in der Ukraine bei Kriegsende“, so Polat.
Die Union sprach sich für eine bessere Verteilung der Flüchtlinge in der EU aus. „Es ist gut, dass Deutschland und die EU den ukrainischen Kriegsflüchtlingen helfen, aber die Bundesregierung muss sich dringend für eine gleichmäßigere Verteilung in Europa einsetzen“, sagte der innenpolitische Sprecher Alexander Throm (CDU). Schon jetzt sei niemandem mehr zu erklären, dass sich in Deutschland etwa 20 Mal so viele ukrainische Flüchtlinge aufhielten wie in Frankreich.