Kritik an Verurteilung ukrainischer Journalistin durch Russland

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat die Verurteilung einer ukrainischen Journalistin durch Russland scharf kritisiert.

Ein Gericht auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim hatte die ukrainische Bürgerjournalistin Irina Danilowitsch am 28. Dezember zu sieben Jahren Haft verurteilt. Die von den russischen Besatzungsbehörden eingesetzten Richter hatten sie in der Hafenstadt Feodossija des angeblichen Erwerbs und Besitzes von Sprengstoff schuldig gesprochen.

Danilowitsch muss zudem eine Geldstrafe von umgerechnet 650 Euro zahlen. „Mit diesem drakonischen Urteil soll eine mutige Journalistin zum Schweigen gebracht werden. Und die letzten unabhängigen Medienschaffenden auf der Krim sollen eingeschüchtert werden“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF). Die Anschuldigungen entbehrten jeglicher Grundlage.

„Wir fordern Irina Danilowitschs Freilassung.“ Irina Danilowitsch arbeitete hauptberuflich als Krankenschwester in der Stadt Koktebel und berichtete als Bürgerjournalistin über Missstände im Gesundheitssektor der von Russland annektierten Krim. Sie thematisierte beispielsweise, dass vom Kreml zugesagte Prämien im Kampf gegen Corona auf der Halbinsel nicht ausgezahlt wurden und das medizinische Personal unter prekären Bedingungen arbeiten muss. Ihre Berichte erschienen auf der ukrainischen Nachrichtenwebseite „Injir-Media“ und dem Onlineportal „Krym Realii“ des US-finanzierten Senders „Radio Free Europe/ Radio Liberty (RFE/RL)“.

Außerdem betrieb sie einen YouTube-Kanal, auf dem sie unter anderem Videos über die Arbeitsrechte des Klinikpersonals veröffentlichte. Die Bürgerjournalistin wurde laut „Reporter ohne Grenzen“ am 29. April auf dem Rückweg von der Arbeit an einer Bushaltestelle in ihrem Wohnort Wladislawowka vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB entführt. Am selben Tag wurde das Haus ihrer Familie durchsucht, ihr Handy und Laptop wurden beschlagnahmt. Sie werde der Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU verdächtigt, teilte ein Geheimdienstler ihrem Vater mit.

Anschließend verschwand sie für eine Woche. Weder Angehörige und Freunde noch ihr Anwalt konnten Irina Danilowitschs Aufenthaltsort in Erfahrung bringen. Während dieser Zeit wurde sie nach eigenen Angaben im Keller der FSB-Zentrale in der Krim-Hauptstadt Simferopol festgehalten und gefoltert. Die russischen Geheimdienstler hätten sie geschlagen und gewürgt und Aussagen über auf der Halbinsel tätige Medienschaffende sowie krimtatarische Aktivisten gefordert.

Zudem sei sie mit Hilfe eines Lügendetektors zu angeblichen Verbindungen zum ukrainischen Geheimdienst verhört worden. Dabei hätten ihr die FSB-Mitarbeiter mit dem Tod gedroht und sie daran gehindert, auf die Toilette zu gehen. Danilowitsch wurde schließlich in ein Untersuchungsgefängnis in Simferopol verlegt. Die Behörden leiteten Ermittlungen wegen des angeblichen Erwerbs und Besitzes von Sprengstoff ein.

Ihr Anwalt erfuhr von den neuen Vorwürfen und dem Aufenthaltsort seiner Mandantin erst in der zweiten Maiwoche. Laut den von Russland eingesetzten Ermittlern soll die ukrainische Bürgerjournalistin eine Bombe aus 200 Gramm Sprengstoff und den Nadeln medizinischer Spritzen gebaut haben. Den Sprengsatz habe sie in einem Brillenetui versteckt. Irina Danilowitsch weist die Vorwürfe zurück. Der Sprengstoff sei ihr vom FSB untergeschoben worden, nachdem sie leugnete, für den ukrainischen Geheimdienst SBU zu arbeiten. Während ihrer Haft klagte über eine Mittelohrentzündung und starke Ohrenschmerzen. Sie könne nicht hören oder verstehen, was im Gerichtssaal vor sich ging, erklärte sie im November. Eine medizinische Versorgung wurde ihr jedoch verweigert und der Bitte nach einer Vertagung des Prozesses nicht entsprochen. Am letzten Verhandlungstag am 28. Dezember beobachtete eine Prozessberichterstatterin bei Danilowitsch Koordinationsstörungen. Daraufhin wurde erstmals ein Krankenwagen gerufen und die Verhandlung kurzfristig unterbrochen. Jedoch wurden ihr nur Herztabletten zur Behandlung angeboten. In ihrem Schlusswort bezeichnete Irina Danilowitsch ihr Verfahren als gezielten Versuch der Einschüchterung der Öffentlichkeit. „Das totalitäre Regime braucht keine Menschen, die offen die Wahrheit sagen“, sagte sie. Außerdem erinnerte die Bürgerjournalistin an das Schicksal von mehr als 20 Krimtataren, die während der russischen Annexion spurlos verschwanden. Die Ermittlungen wegen Staatsverrat gegen Irina Danilowitsch laufen weiter. Nach der russischen Annexion der Krim 2014 wurde nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ der unabhängige Journalismus auf der Halbinsel praktisch vernichtet. Sämtliche krimtatarischen Medien mussten die Krim verlassen, nur 232 von vormals 3.000 Medien durften mit Erlaubnis der russischen Besatzungsbehörden weiterarbeiten. Bürgerjournalisten riskieren seitdem Verfolgung und Haft. Irina Danilowitsch gehört zu insgesamt neun ukrainischen Medienschaffenden von der Krim, die in russischen Gefängnissen sitzen. Sie machen die Hälfte der in Russland eingesperrten Journalisten aus. Im September reichte „Reporter ohne Grenzen“ beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) und der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine Beschwerde wegen der willkürlichen Verhaftung und des Verschwindenlassens von Irina Danilowitsch ein und kritisierte, dass ihr das Recht auf ein faires Verfahren verweigert wurde. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Russland Platz 155 von 180 Staaten, die Ukraine steht auf Rang 106.




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