„Die Empörung in Europa ist heuchlerisch“, sagte Zucman dem „Spiegel“. Europa sei schließlich „Vorreiter in Sachen Steuerwettbewerb“.
Der EU rät er, auf das US-Paket nicht einfach mit weiteren Steuererleichterungen für hiesige Unternehmen zu reagieren. „Eine gute Vorgehensweise der EU wäre es, zu sagen: Wir zahlen Subventionen für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft, im Gegenzug ziehen wir in allen EU-Staaten eine Untergrenze bei den allgemeinen Körperschaftsteuern ein, die über dem ambitionslosen globalen Minimum von 15 Prozent liegt, zum Beispiel bei 25 Prozent.“ Bislang fehle es in Europa an Bedingungen, die Unternehmen erfüllen müssten, um von niedrigeren Steuersätzen zu profitieren. „Wir brauchen einen solchen konditionierten Ansatz“, so Zucman.
In Deutschland liegen die Unternehmensteuern mit knapp 30 Prozent über dem Niveau in anderen westlichen Industriestaaten. Den unter anderem von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgebrachten Wunsch nach Entlastung hält Zucman für unangebracht. „Der durchschnittliche Körperschaftsteuersatz in der EU lag in den Achtzigerjahren bei 45 oder 50 Prozent. Heute ist er etwa halb so hoch, Deutschland liegt in der Nähe dieses Durchschnitts. Wenn wir den Trend fortsetzen, wird der Körperschaftsteuersatz in drei oder vier Jahrzehnten verschwinden“, so Zucman.
Hinzu komme, „dass die Zeiten für Unternehmen noch nie so gut waren: Ihre Gewinne sind auf Rekordhöhe, die effektiven Steuersätze so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht. Die Forderung nach einer weiteren Runde von Steuersenkungen ist deshalb ein großes politisches Risiko.“