„Die Regierungen der Welt müssen unbedingt Wege der Zusammenarbeit finden, um geopolitische Spannungen abzubauen, das Wettrüsten zu verlangsamen und die sich verschlimmernden Folgen von Umweltzerstörung und steigendem Welthunger zu bewältigen“, fordert Sipri-Direktor Dan Smith. Die Forscher veröffentlichten am Montag ihren Jahresbericht zur globalen Rüstungsentwicklung.
Demnach erlitt die Nuklearwaffenkontroll- und Abrüstungsdiplomatie durch den Ukrainekrieg „einen schweren Rückschlag“. In der Folge setzten die USA und Russland ihren bilateralen Dialog darüber nach und nach aus. Bei den Gesprächen über das iranische Atomprogramm sah es ähnlich aus. Sowohl die USA als auch das Vereinigte Königreich lehnten es laut Sipri ab, Informationen über ihre Nuklearstreitkräfte im Jahr 2022 an die Öffentlichkeit zu geben, was sie in den vergangenen Jahren getan hatten. „n dieser Zeit der großen geopolitischen Spannungen und des Misstrauens, in der die Kommunikationskanäle zwischen den nuklear bewaffneten Rivalen geschlossen sind oder kaum noch funktionieren, sind die Risiken einer Fehlkalkulation, eines Missverständnisses oder eines Unfalls unannehmbar hoch“, so Smith. Es bestehe die dringende Notwendigkeit, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken, fügte er hinzu. Dem Jahresbericht zufolge modernisieren die neun nuklear bewaffneten Staaten weiterhin ihre Nukleararsenale, und mehrere haben 2022 neue nuklear bewaffnete oder nuklearfähige Waffensysteme eingesetzt. Vom weltweiten Gesamtbestand von schätzungsweise 12.512 Sprengköpfen im Januar 2023 befanden sich demnach etwa 9.576 Sprengköpfe in militärischen Lagerbeständen für den potenziellen Einsatz – 86 mehr als im Januar 2022. Davon seien schätzungsweise 3.844 Sprengköpfe mit Raketen und Flugzeugen im Einsatz gewesen und etwa 2.000 – fast alle im Besitz Russlands oder der USA – in hoher Alarmbereitschaft gehalten worden, was bedeute, dass sie in Raketen eingebaut oder auf Luftwaffenstützpunkten für Atombomber gelagert worden seien. Russland und die USA verfügten zusammen über fast 90 Prozent aller Atomwaffen. Zusätzlich zu ihren einsatzfähigen Atomwaffen besaßen sie über jeweils mehr als 1.000 Sprengköpfe, die zuvor aus dem Militärdienst ausgeschieden seien und die sie nun nach und nach abbauten. Die von Sipri geschätzte Größe des chinesischen Atomwaffenarsenals stieg von 350 Sprengköpfen im Januar 2022 auf 410 im Januar 2023, und es wird erwartet, dass es weiter wachsen wird.
Je nachdem, wie es seine Streitkräfte strukturiert, könnte China bis zur Jahrtausendwende über mindestens so viele ballistische Interkontinentalraketen (ICBM) verfügen wie die USA oder Russland, erwarten die Forscher. Obwohl das Vereinigte Königreich sein Atomwaffenarsenal im Jahr 2022 nicht aufgestockt haben soll, wird erwartet, dass der Bestand an Sprengköpfen in Zukunft zunehmen wird, nachdem die britische Regierung im Jahr 2021 angekündigt hatte, ihre Obergrenze von 225 auf 260 Sprengköpfe anzuheben. Die Regierung kündigte außerdem an, die Anzahl der Atomwaffen, der stationierten Sprengköpfe und der stationierten Raketen nicht mehr öffentlich bekannt zu geben. Auch bei Frankreich, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel sieht Sipri Modernisierungen beziehungsweise Aufstockungen des nuklearen Waffenarsenals.
„Die meisten Atomwaffenstaaten verschärfen ihre Rhetorik in Bezug auf die Bedeutung von Atomwaffen, und einige drohen sogar explizit oder implizit mit deren Einsatz“, kommentierte Sipri-Forscher Matt Korda den Bericht.