„Die Aufhebung aller Maßnahmen ist zutiefst unsolidarisch mit dem Klinikpersonal, das in der Pandemie viel geleistet hat und gerade wieder die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat“, sagte die Verbandsvorsitzende Susanne Johna dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Mittwochausgaben). Vor weniger als einer Woche seien das Krankenhauspersonal, die Pflegekräfte und die niedergelassenen Ärzte von der Politik angefleht worden, mehr zu arbeiten und selbst über Weihnachten wegen der Infektionswelle Überstunden zu machen, so Johna.
„Trotz der hohen Belastung nun zu fordern, alle Maßnahmen umgehend aufzuheben, ist an Dreistigkeit gegenüber dem Gesundheitspersonal kaum zu überbieten.“ Aus juristischer Perspektive verstehe Johna die Diskussion, sagte sie. „Es wäre aber jetzt das falsche Signal.“ Sie teile die Einschätzungen zum Auslaufen der Pandemie in diesem Winter von Drosten und Karragiannidis. „Aber der Winter ist noch lange nicht vorbei und wir erleben erneut eine starke Belastung des Gesundheitswesens auch durch verschiedene virale Erkrankungen. Jetzt alle Maßnahmen aufzuheben, ist das völlig falsche Signal. Der Winter endet schließlich erst im März.“ Weiter sagte Johna: „Die Maske reduziert auch das Risiko einer Ansteckung mit anderen viralen Erkrankungen und kann die hohe Infektionswelle abmildern. Ich warne eindringlich davor, hier eine politische Fehlentscheidung auf dem Rücken des Gesundheitspersonals zu treffen.“ Die Medizinerin warnte vor der Signalwirkung, die von einer Aufhebung der letzten Maßnahmen ausgehen: „Ich fürchte, dass viele Menschen noch nachlässiger bei einer Aufhebung aller Maßnahmen werden. Wenn wir die wenigen Maßnahmen jetzt aufheben, werden auch die letzten, die noch freiwillig eine Maske tragen, darauf verzichten.“ Als Beispiel nannte sie die Möglichkeit, sich bei Verdacht auf das Coronavirus zu testen: „Es werden sich weniger Menschen testen, bevor sie gefährdete Personen besuchen. Gerade zu Silvester, wo viele Menschen zusammenkommen, bereitet mir das große Sorgen.“ Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hat seinerseits ebenfalls vor Sorglosigkeit im Umgang mit Corona gewarnt. „Wir können uns Erleichterungen leisten“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben). „Dabei sollten wir aber nicht alle Vorsicht fahren lassen.“
Es gehöre zu guter Prävention, weiterhin sich und andere zu schützen. Das Coronavirus werde nie mehr verschwinden, betonte Montgomery. „Bleiben wir also auf der Hut, aber entspannen wir uns auch im aktuellen Umgang mit dem Coronavirus. Vor allem aber sollten wir aufhören, Infektionsschutzmaßnahmen zum Gegenstand ideologischer Diskussionen zu machen.“
Gefragt seien Vorsorge, Rationalität und Verantwortungsbewusstsein. Der Virologe Christian Drosten hatte zuvor die Pandemie für beendet erklärt. Daraufhin forderten vor allem FDP-Politiker die Aufhebung aller verbliebenen Corona-Regeln. Montgomery führte aus, welche Maßnahmen er weiterhin für nötig hält: „Schutz von Menschen, die durch andere Krankheiten selbst nicht genügend Abwehr aufbauen können; Maskentragen – dort wo es nötig ist; Abstand dort, wo es möglich ist. Wer krank ist, bleibt zu Hause – statt andere anzustecken. Und natürlich müssen wir die Immunkompetenz der Menschen aufrechterhalten. Und das heißt: Impfen, Impfen, Impfen.“