„Putin muss jetzt bei seinen Widersachern den Eindruck vermeiden, er sei angeschlagen“, sagte Roderich Kiesewetter, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, dem „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe). Er müsse innenpolitische Stärke zeigen: „So wird er den Krieg gegen die Ukraine intensivieren, noch brutaler machen als bislang schon.“
Die Ukraine brauche nun „mehr Hilfe denn je“, sagte Kiesewetter: „Deutschland muss endlich über seinen Schatten springen und der Ukraine den Marschflugkörper Taurus liefern.“ Außerdem sollte die Bundesregierung „die Rüstungsproduktion in Europa bündeln und verstärkt auf Ukrainer, Polen und Balten hören“. Der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte sagte unterdessen der Zeitung, dass Putin sich seit Samstag „stabilisiert“ habe. „Es ist zu befürchten, dass Putin nun sein Terror-Regime ausweitet, um sein Image der Schwäche zu korrigieren.“
Lechte beklagte, die Geheimdienste hätten vorab keinen Hinweis auf die Ereignisse gegeben. „Offenbar hatte der BND keinerlei Informationszugang. Das ist in dieser Lage ein erhebliches Defizit, das wir aufklären müssen.“ Der Außenpolitiker Jürgen Trittin von den Grünen nannte es „erheblich besorgniserregend“, dass die Atommacht Russland „von einer Söldnertruppe erpresst worden“ sei.
Auf eine solche Eskalation sei „niemand vorbereitet, auch nicht die USA“. Ein „drohender Bürgerkrieg oder ein Zerfall Russlands“ sei eine besorgniserregende Dimension, sagte er dem „Tagesspiegel“. Die Eskalation habe Putin „massiv geschadet“. Nach Ansicht von Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schwäche „Russlands Selbstbeschäftigung“ seine Fähigkeit, nach außen hin aggressiv zu agieren.
„Dennoch müssen wir, unabhängig von Putin, mit einer weiter aggressiven russischen Außenpolitik rechnen“, sagte Schmid dem „Tagesspiegel“. Er fügte hinzu: „Ein Volksaufstand ist auch nach diesem 24. Juni nicht in Sicht. Außerdem sehen wir: Sollte Putin fallen, werden wir es mit einem Nachfolger zu tun bekommen, der nicht automatisch besser oder gar demokratischer sein wird.“ Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt setzt nach dem abgebrochenen Putschversuch von Wagner-Chef Prigoschin unterdessen auf eine dauerhafte Schwächung der Macht Putins in Russland.
„Alle Oppositionskräfte werden die Ereignisse als Zeichen des Niedergangs Putins werten, vielleicht auch das Umfeld Putins“, sagte Hardt der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe). „Putin fällt es nun noch schwerer, die Legende vom angeblich erfolgreichen Kampf gegen die Ukraine aufrechtzuerhalten. Erstmals haben die Bürger Moskaus gespürt, dass Putins Wahnsinns-Angriff gegen die Ukraine auch sie bedrohen könnte“, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. „Russland ist im Kampf gegen die Ukraine geschwächt. Denn Prigoschin hat nicht nur im Kampf um Bachmut brutale und leider auch erfolgreiche Aktionen durchgeführt. Die Rolle seiner Söldner kann durch Putin nicht so ohne Weiteres ersetzt werden“, sagte Hardt.
„Für uns ist die Lage ein weiteres Argument dafür, bei der Unterstützung für die Ukraine nicht nachzulassen. Die Ukraine kann gewinnen, was in unserem ureigenen Interesse liegt“, so Hardt.