Das zeigt eine Statistik, die der bahnpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Matthias Gastel, beim Bundesverkehrsministerium erfragt hat und über die die „Welt am Sonntag“ berichtet. Demnach gab es 2014 noch rund 3.300 Fälle von Personen im Gleis, im vergangenen Jahr lag die Zahl mit 4.039 gut 20 Prozent höher.
Entsprechend stieg auch die Dauer der Gleissperrungen um etwa ein Fünftel von gut 4.000 Stunden auf mehr als 5.000 Stunden im Jahr. Die Deutsche Bahn bestätigte den Trend. „Wesentliche Gründe sind aus unserer Sicht das sinkende Gefahrenbewusstsein, eine geringere Hemmschwelle, Verbotenes zu tun, sowie gerade bei jüngeren Menschen die größere Bereitschaft, sich an gefährlichen Trends wie Selfies im Gleisbereich zu beteiligen“, sagte eine DB-Sprecherin. Sobald der Verdacht besteht, dass sich eine Person an oder auf den Schienen befindet, wird die betroffene Strecke immer vorsorglich gesperrt. „Das führt zum Teil zu erheblichen Verspätungen für zahlreiche Züge, die in der Folge auch über den ganzen Tag spürbar sein können“, so die Bahnsprecherin. Im Durchschnitt dauerten die Streckensperrungen im vergangenen Jahr 75 Minuten – und wären damit in der Regel ein klarer Fall für eine Entschädigung. Allerdings müssen seit der vergangenen Woche nach der neuen EU-Fahrgastrechteverordnung keine Entschädigungen mehr im Fall von Personen im Gleis bezahlt werden. „Personen im Gleis fallen bei den Fahrgastrechten in die Kategorie `Eingriff durch Dritte`, zu denen etwa auch Kabeldiebstahl gehört“, sagte die DB-Sprecherin.
„In diesem Fall sieht die neue EU-Fahrgastrechteverordnung künftig keine Pflicht zur Zahlung von Entschädigungen mehr vor.“ Der Konzern werde sich aber großzügig zeigen, wenn für eine Verspätung mehrere unterschiedliche Gründe verantwortlich sind. „In diesen Fällen entscheiden wir kulant und zahlen nur dann keine Entschädigung, wenn die Verspätung ausschließlich und zweifelsfrei auf einen Eingriff Dritter zurückzuführen ist.“ In den Ampelfraktionen gibt es Überlegungen, die gesetzlichen Regelungen so zu lockern, dass künftig nicht mehr in jedem Fall von Personen im Gleis die Strecke komplett gesperrt werden muss.
„Wir Grüne sehen die Notwendigkeit für einen pragmatischen Ansatz beim Thema `Personen im Gleis`“, sagte Gastel. Seine Fraktion werde sich daher dafür einsetzen, die rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen. „Stundenlange Sperrungen wegen eines Pilzesammlers, der zufällig am Streckenrand unterwegs ist, müssen der Vergangenheit angehören“, fordert der Bundestagsabgeordnete. Auch die Deutsche Bahn spricht sich für solche Gesetzesänderungen aus.
„Einem solchen Vorschlag stehen wir offen gegenüber“, sagte die DB-Sprecherin. Sollte es sich um erwachsene Personen handeln, die nicht direkt im Gleisbett gesehen wurden, könne unter Umständen „mit sehr geringer Geschwindigkeit auf Sicht“ gefahren werden. „Bei Kindern und Personen im Gleis muss die Strecke aber weiterhin zur Sicherheit gesperrt werden“, stellte die Sprecherin klar. Eine entsprechende Regelung werde derzeit erarbeitet.