BASF-Chef Martin Brudermüller fordert eine Verstaatlichung der Stromnetze. „Wir müssen die Netze allen unentgeltlich zur Verfügung stellen“, sagt er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstagsausgabe).
Netze seien wie Straßen, sie gehörten zu einer erfolgreichen Volkswirtschaft dazu. Der Staat könne sich die Investitionen im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft teilen. „Ja, das wären große Summen, aber wir müssen diese Diskussion führen.“ Steigende Netzgebühren und die Tatsache, dass der Bund die Flächen für Windparks mittlerweile für Milliardensummen versteigere, ließen die Stromkosten immer mehr steigen, auf fast 20 Cent je Kilowattstunde. „Bei 20 Cent braucht sich die deutsche Industrie zur Dekarbonisierung gar nicht mehr aufmachen. Da ist sie mausetot, bevor sie damit begonnen hat.“
Der Chemiker Brudermüller steht seit 2018 an der Spitze des weltgrößten Chemiekonzerns. Auf der Hauptversammlung am 25. April soll Markus Kamieth zu seinem Nachfolger gewählt werden, Brudermüller wenig später Aufsichtsratschef von Mercedes-Benz werden. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Brudermüller in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vor den Folgen eines deutschen Gasembargos gegenüber Russland und vor „Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau“ gewarnt. „Ich würde es genauso wieder machen“, sagt Brudermüller dazu heute. Seine Warnungen seien in der Regierung angekommen. Allerdings bekomme Deutschland nun mit Zeitversatz die Folgen der steigenden Energiekosten zu spüren.
Die Gefahr einer Deindustrialisierung sieht Brudermüller zwar „so radikal nicht“, aber der Anteil der Industrie werde „sicher zurückgehen“. Die Gesellschaft hat nach seinen Worten „noch gar nicht verstanden, was alles am Rutschen ist.“ Am Stammsitz Ludwigshafen, dem größten Chemieareal der Welt, habe BASF dramatisch Verlust gemacht und ein echtes Ertragsproblem. Der Konzern werde wahrscheinlich weitere Anlagen schließen müssen und das Geschäft mit Basischemikalien verkleinern. „Es wird eine Anpassung geben, die schmerzhaft wird“, sagte Brudermüller der FAZ. Der Standort werde aber „auf Dekaden“ der größte im Konzern bleiben. Spekulationen über eine Aufspaltung erteilte er mit einem klaren Bekenntnis zum Verbund eine Abfuhr.
Von seinen China-Plänen und dem neuen, mehr als 10 Milliarden Euro teuren Standort rückt der BASF-Chef nicht ab. Zwar gebe es derzeit Überkapazitäten am chinesischen Markt. China sei jedoch der mit Abstand größte Chemikalienmarkt der Welt. „Wo soll denn das Volumen herkommen, um die Transformation in Deutschland zu bezahlen, wenn nicht aus China?“ Zu den Erwartungen für den neuen Standort sagte der scheidende Konzernchef: „Wir rechnen dauerhaft mit 4 bis 5 Milliarden Euro zusätzlichem Umsatz und einem operativen Ergebnisbeitrag von 1 bis 1,2 Milliarden Euro.“