Die derzeitige Lücke von 700.000 Wohnungen werde sich „dieses Jahr weiter öffnen“, sagte Weeser dem Nachrichtenmagazin Focus. Es zeichne sich ab, dass das Regierungsziel, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, „auch dieses Jahr wieder gerissen wird“.
Viele Probleme der Bau- und Immobilienbranche seien zwar „fremdgemacht“ und kaum beeinflussbar, „aber wir als Politik könnten durchaus mehr unterstützen: digitale Bauakte, Entbürokratisierung, serielles Bauen – das sind alles Stichworte Richtung Beschleunigung“, so Weeser. „Auch die Baunebenkosten müssen wir uns noch mal genauer anschauen.“ Weitere staatliche Regulierungen auf dem Wohnungsmarkt, wie beispielsweise die Mietpreisbremse, seien dagegen „nur kontraproduktiv“. An Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) appelliert Weeser: „Frau Geywitz muss sich auch gegenüber ihrem Kabinettskollegen, Wirtschaftsminister Robert Habeck, an der einen oder anderen Stelle besser durchsetzen“. Weeser hält es für einen „Systemfehler“, dass die Sanierungsförderung für effiziente Gebäude und für serielles Sanieren in Habecks Wirtschafts- und Klimaministerium liege. „Die Grünen krönen die Krise – leider ideologiegetrieben – aktuell noch mit ihren nur auf Energieeffizienz ausgerichteten Klimaschutzforderungen“, sagte die Bauausschussvorsitzende dem Focus. Die energetische Sanierung von Wohnraum koste „richtig viel Geld“, die Kosten-Nutzen-Analyse sei jedoch „für eine Verschärfung von EH55- auf EH40-Standard verheerend“. Der Ressourcenverbrauch führe sogar zu einer Zunahme des CO2-Ausstoßes. Auch der Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) äußerte sich skeptisch zu den Wohnungsbauzielen und kritisierte vor allem die Grünen. Es sei ein „schlimmer Konstruktionsfehler“, dass ausgerechnet in Zeiten akuter Wohnungsnot ein Großteil der Fördergelder von Robert Habecks Wirtschaftsministerium verwaltet werde, wo es weniger um bezahlbaren Wohnraum gehe, sondern um klimafreundliche Sanierungen, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko dem Focus. Für die Grünen sei Wohnungsbau „nie ein zentrales Thema“ gewesen. „In ihrer ganzen bisherigen Geschichte hat die Bundesrepublik den Wohnungsbau letztlich immer unterstützt, um Bezahlbarkeit sicherzustellen. Nun findet da eine gewaltige Umorientierung statt, weil vor allem gefördert wird, was als ökologisch sinnvoll gilt“, so Gedaschko.
Das sei aber angesichts von Inflation, Zinswende, Fachkräftemangel und neuerdings auch noch über einer Million ukrainischer Flüchtlinge kaum noch zu vermitteln. Geld könne „sogar aus dem Innenministerium kommen, das ja intrinsisch für Flüchtlinge zuständig ist“. Statt Containerdörfer könnte man „nachhaltig Wohnungen bauen“, die man nach dem Ukraine-Krieg anderweitig ohnehin brauche.
Gedaschko erinnerte im Focus daran, dass der Bundesrepublik auch 500.000 Fachkräfte fehlten, die in den nächsten Jahren aus dem Ausland rekrutiert werden müssten. „Die gewinnt indes nur, wer auch bezahlbaren Wohnraum, Kinderbetreuung, eine gute Infrastruktur liefern kann.“ Die Forderung des Verbandspräsidenten: „Das Machtwort müsste von Olaf Scholz kommen, der seine Bauministerin ja auch das große Ziel 400.000 Wohnungen pro Jahr vorgegeben hat.“