Das zeigt eine Beispielrechnung, die das CSU-geführte Bayerische Innenministerium auf Anfrage der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwochausgabe) erstellt hat. Bei der vergangenen Bundestagswahl hat die CSU zwar 45 der 46 bayerischen Direktmandate gewonnen, ist aber bundesweit nur auf 5,2 Prozent gekommen.
Durch die Grundmandatsklausel wäre sie wegen der gewonnenen Direktmandate auch dann im Bundestag vertreten gewesen, wenn sie nur auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen gekommen wäre. Durch die Streichung der Klausel würde sie in so einem Fall künftig aber keinen einzigen Abgeordneten mehr entsenden dürfen. Das hätte dann – wie die Beispielrechnung zeigt – auch Auswirkungen auf die Zahl der Abgeordneten, die aus Bayern in den Bundestag kommen. Wenn die CSU bei der letzten Bundestagswahl statt auf 5,2 nur auf 4,9 Prozent gekommen wäre, und alle anderen Parteien unverändert abgeschnitten hätten, wäre die CSU im Freistaat mit dem neuen Wahlrecht laut Beispielrechnung auf 36 Sitze gekommen, die SPD auf 21, die Grünen auf 17, die FDP auf 13 und die AfD auf 11 Sitze. Insgesamt wären also 98 Abgeordnete aus Bayern in den Bundestag eingezogen. Da die Ampelkoalition im Rahmen ihrer Wahlrechtsänderung aber zusätzlich auch die Grundmandatsklausel gestrichen hat, hätte die CSU nicht mehr in den Bundestag einziehen dürfen, ihr Anspruch auf die 36 Sitze wäre entfallen. Von diesen 36 Sitzen wären laut der Rechnung des Innenministeriums zwei an die bayerische SPD gefallen und einer an die bayerischen Grünen – der Rest wäre in andere Bundesländer gegangen. „Insgesamt wären damit nur 65 Abgeordnete aus Bayern in den Bundestag eingezogen, Bayern wäre daher mit 33 Abgeordneten weniger im Bundestag vertreten gewesen“, schreibt das Innenministerium.
Till Steffen, der für die Grünen das neue Wahlrecht verhandelt hat, bestreitet die möglichen Auswirkungen des neuen Wahlrechts auf Bayern nicht. Auf die Frage der „Süddeutschen Zeitung“, ob es hinnehmbar sei, dass ein Bundesland auf diese Weise unterdurchschnittlich im Bundestag vertreten sein könne, antwortet Steffen: „Wenn eine Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, dann ist der Teil der Bevölkerung, der diese Partei gewählt hat, nicht im Bundestag vertreten – egal ob bezüglich der Weltanschauung oder auch regionaler Angehörigkeit.“ Gerade bei der regionalen Vertretung stelle eine derartige Verzerrung „aber weniger ein Problem dar, da hier durch den Bundesrat die regionalen Besonderheiten bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden“ – und „dies sogar besser als durch eine einzige Regionalpartei, die dort allenfalls nur einen Ausschnitt der Bevölkerung vertritt“. Außerdem sei er sich sicher, „dass die CSU einen Weg finden kann und wird“, in dem das Szenario nicht eintrete, so Steffen.
Die Ampel habe sich „zudem offen für den Vorschlag einer Listenverbindung gezeigt“. Die CSU könnte dann eine derartige Verbindung mit der CDU eingehen und müsste sich keine Sorgen mehr wegen der Fünf-Prozent-Hürde machen. Deshalb seien die Berechnungen „unwahrscheinliche Gedankenspiele einer Partei im Wahlkampf“. Die beiden Unionsparteien lehnen eine Listenverbindung ab.
CSU-Chef Markus Söder hatte der SZ gesagt, es sei „eine Unverschämtheit, dass die Mehrheit im Bundestag darüber entscheiden will, wie sich Oppositionsparteien organisieren – das ist übergriffig und mit unserem Selbstverständnis nicht vereinbar“.