BDI-Chef fordert mehr „Ehrlichkeit“ bei Kosten der Energiewende

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Siegfried Russwurm fordert von der Politik mehr Ehrlichkeit bei der Frage der Kosten der Energiewende.

„Zuallererst müssen wir uns ehrlich machen, was CO2-freie Energie langfristig kosten wird – nicht nur Wind- und Solarstrom, sondern inklusive der notwendigen Back-up-Kapazitäten, wenn Sonne und Wind nicht liefern. Das sind deutlich mehr als fünf oder sechs Cent pro Kilowattstunde“, sagte er der „Welt am Sonntag“.

Man brauche nicht nur deutlich mehr Wind- und Solaranlagen, sondern müsse auch in wasserstofffähige Gaskraftwerke und den Netzausbau investieren. „Es ist höchste Zeit, da mal einen Strich drunter zu ziehen und zu kommunizieren, was unser Weg zur Dekarbonisierung letztendlich kosten wird. Diese Transparenz erwarte ich von der Politik“, sagte Russwurm. Allein die bis 2030 geplanten Schritte zur Dekarbonisierung kosten nach Berechnung des BDI rund 860 Milliarden Euro. „Das Geld fällt doch nicht vom Himmel“, sagte Russwurm. Auch für ihn sei die Dekarbonisierung alternativlos. „Aber wir müssen ehrlich sagen: Das hat Priorität, das kostet Geld“, so der BDI-Präsident. „Den Eindruck zu verbreiten, das gehe einfach so, werde niemandem wehtun, und am Ende müssen nur die Reichen ein paar Prozent mehr Steuern zahlen, diese Rechnung geht nicht auf.“ Russwurm plädiert für eine Senkung der Stromsteuern und einen subventionierten Strompreis für energieintensive Branchen. „Solange Energie relativ billig war, konnte man sie mit hohen Steuern und Abgaben belegen“, sagte er. Jetzt sei Energie teuer, die Stromsteuer liege aber immer noch um den Faktor 20 über dem europäischen Minimum. „In einer Situation, in der wir auf Elektromobilität umstellen wollen, in der wir große Teile unserer Industrie elektrifizieren und mit Wärmepumpen heizen wollen, müssen wir das ändern – und zwar schnell“, forderte er. Den Einwand von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), einen Industriestrompreis könne man sich nicht leisten, lasse er nicht gelten: „Ich sage dazu: Das ist ja wohl eine Frage von Prioritäten.“ Es sei falsch die Kindergrundsicherung gegen die Förderung für die Wirtschaft auszuspielen. „Ich finde es schade, dass die Debatte so emotionalisiert wird. Wer kann schon dagegen sein, dass es Kindern besser geht?“, fragte Russwurm. „Aber noch einmal: Der Bund hat einen Haushalt von 450 Milliarden Euro. Da müssen Priorisierungen und Umschichtungen möglich sein.“ Der BDI-Präsident kritisierte die Ampel-Koalition scharf für ihre Auseinandersetzungen der vergangenen Monate. „Der ständige Streit ist in seiner Außenwirkung katastrophal. Es entsteht der Eindruck, dass die drei Ampel-Parteien sich spinnefeind sind und Einzelne sich verhalten wie auf dem Basar“, sagte Russwurm. „Eine Entlastung der Industrie, die in einer wenigstens gewissen Reduzierung der Steuerlast bestehen soll, der Unterstützung von Kindern gegenüberzustellen ist einfach unseriös.“ Von der Kabinettsklausur in Meseberg in der kommenden Woche erwarte er keine großen Schritte. „Man wird bei einzelnen Themen zu Kompromissen kommen, will über Digitalisierung und über Verwaltungsvereinfachung reden. Schön und gut“, sagte Russwurm. „Aber wir leisten uns eine Bürokratie, die zum Himmel schreit.“ Er fürchte, dass es bei mehr Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren auch in Meseberg weiterhin „an der erforderlichen Ambition fehlen wird“. „Die Zuversichtsrhetorik des Bundeskanzlers in allen Ehren, aber sie wird sich nur erfüllen, wenn es für den Rest der Legislaturperiode zu einem Kurswechsel in der Wirtschafts- und Industriepolitik kommt, die den Standort stärkt“, sagte der BDI-Präsident.




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