„Im Prinzip muss die Bundeswehr ganz neu gestaltet werden, es braucht eine Jahrhundertreform, damit die Bundeswehr im Wettbewerb mit der Wirtschaft wettbewerbsfähig wird“, sagte Kiesewetter der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwochausgabe). „Ansonsten werden die Personalziele kaum erreichbar sein.“
Für ihn stehe der Materialmangel oft in Verbindung zum fehlenden Personal. Die Bundeswehr verliere viele motivierte Menschen, die Panzer fahren wollen, dann aber feststellen, dass es keine ausreichenden Panzer gebe, „und wieder gehen“, so der CDU-Politiker. In den zivilen Bereichen, wie bei Köchen, Mechanikern, Logistikern oder der Wehrverwaltung stehe man halt in Konkurrenz zur Wirtschaft. „Dabei stehen Bezahlung und Arbeitszeitregelung im Vordergrund.“ In militärischeren Bereichen brauche es vor allem Flexibilität, um wie derzeit auch in Windeseile die Ausbildung hunderter ukrainischer Soldaten an Panzern durchzuziehen. „Da kommen wir mit Vorschriften aus Friedenszeiten oder dem Zivilleben nicht weiter, auch nicht mit der für Streitkräfte dysfunktionalen Europäischen Arbeitszeitrichtlinie.“ Die Bundeswehr hat am Dienstag eine neue Werbekampagne gestartet, um mehr junge Frauen und Männer zu gewinnen. Ihr Titel lautet: „Deutschland braucht eine starke Bundeswehr. Arbeite mit uns daran“. Von derzeit 183.000 Soldaten soll die Zahl bis spätestens 2031 auf rund 203.000 wachsen, aber angesichts der Bedrohung durch Russland könnte diese Zielmarke nicht reichen. Da aber sich bisher keine Wiedereinführung der Wehrpflicht oder eine allgemeine Dienstpflicht abzeichnet, wird die Personalgewinnung schwieriger; früher verpflichteten sich viele Wehrdienstleistende als Berufssoldaten. Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl (SPD), Högl sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Ohne größere Anstrengungen bei der Personalgewinnung kann die Zeitenwende nicht gelingen.“ Aus ihrer Sicht sind die Herausforderungen beim Personal fast noch größer als beim Material. „Wenn die Bundeswehr für Frauen und Männer attraktiv sein soll, dann muss auf vielen Ebenen angepackt werden.“ Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst stärke auch die Einsatzbereitschaft, es brauche zudem „Vorgesetzte, die einen modernen Führungsstil leben, eine gute persönliche Ausrüstung und gute Karrierechancen – auch gezielt für Frauen“. Högl sieht auch eine Mitschuld beim bisherigen Personalgewinnungssystem.
„Ohne größere Anstrengungen bei der Personalgewinnung kann die Zeitenwende nicht gelingen“, sagte sie. Die Abbrecherquote müsse reduziert werden; Bewerber müssten ein realistisches Bild vom Dienst in der Bundeswehr bekommen. Und die Personalvermittlung müsse Interessenten zeitnahe Rückmeldungen geben, forderte Högl.