Daniel Cohn-Bendit kritisiert „Letzte Generation“

Der Grünen-Politiker und frühere französische Studentenführer Daniel Cohn-Bendit hat heftige Kritik an den Klimaaktivisten der "Letzten Generation" geübt.

„Die `Letzte Generation` ist ein Spiegel der `Bild`-Zeitung“, sagte Cohn-Bendit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Um Aufmerksamkeit zu bekommen, benutzten die Aktivisten „dieselben falschen Mittel, dieselben emotionalen Übertreibungen“.

Das mache die Gesellschaft „meschugge“. So sei etwa der Vorwurf falsch, die Politik tue vorsätzlich zu wenig gegen den Klimawandel. „Die Dinge sind viel komplexer, als viele Aktivisten es darstellen“, sagte Cohn-Bendit. „Und es ist auch Unsinn, wenn sie sagen, hört auf die Wissenschaft. So einfach ist es ja nicht. Wissenschaft macht keine Politik, sie erklärt den Stand der Dinge. Und es ist die Politik, die dann Handlungsmöglichkeiten entwickeln und mit den Widersprüchen in der Gesellschaft umgehen muss.“

Viele glaubten heute, sich „schon bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit radikal empören zu müssen, weil sie denken, das Ende der Welt sei gekommen“.

Das gelte auch für die „Letzte Generation“. Die überwiegende Mehrheit der Menschen wolle, dass etwas gegen den Klimawandel getan werde, aber nur unter der Bedingung, dass es sie selbst nicht betreffe, fügte Cohn-Bendit hinzu. „Das macht die Aktivisten zu Recht wütend, denn es gibt keine Lösung des Klimaproblems zum Nulltarif. Gleichzeitig entsetzt mich, wie manche von denen sich völlig verrennen und vor lauter Angst vor dem Klimawandel den Krieg in der Ukraine nicht mehr sehen. Das finde ich illegitim.“

Cohn-Bendit kritisierte auch die jüngste Protestaktion der „Letzten Generation“, bei der Aktivisten die Skulptur „Grundgesetz 49“ in Berlin mit Farbe übergossen. „Ich fand die Aktion mit dem Grundgesetz überhaupt nicht gut, weil sie für viele Menschen unverständlich war. Ich teile auch die Erklärung der Aktivisten nicht, die Regierung komme vor der Verfassung ihrer Verpflichtung nicht nach, unsere Lebensgrundlagen und Freiheit zu schützen.“

Trotzdem sei eine solche Aktion „noch lange kein Terrorismus“ und bedeute auch nicht, dass man die Grundsätze unseres Staates ablehne. „Alle sollten verbal dringend abrüsten, die Kritiker, aber auch die `Letzte Generation` selbst“, sagte Cohn-Bendit. „Zu sagen, dass sich niemand um das Klima kümmert und nur sie die letzten Aufrechten sind, ist Blödsinn.“ Zur Frage, welche Form des Protests er noch für legitim halte und welche nicht mehr, sagte Cohn-Bendit: „Gesetz ist Gesetz, und wenn man sich nicht daran hält, egal ob man Menschen gefährdet oder nicht, wird das geahndet. Das Risiko muss man als Aktivist eingehen.“

Die Proteste hätten „eine innere Begründung“, die man teilen könne oder nicht. „Und dann muss die Gesellschaft urteilen, wie schwerwiegend diese oder jene Regelverletzung ist. Die Urteile fällen dann die Gerichte.“ Zur Gefahr einer Radikalisierung der Klimabewegung sagte der Grünen-Politiker, der als Studentenführer 1968 selbst teils militant protestiert hatte: „Vielleicht gibt es unter den Aktivisten welche, die weit gehen würden, aber wenn, dann nur eine kleine Minderheit. Auch die RAF war eine mörderische, aber winzige Minderheit in einer großen Bewegung, die gegen die Generation der Nazi-Eltern und -Großeltern und die verkrusteten Strukturen aufbegehrte.“ Eine „ungezügelte, nicht mehr kontrollierbare Radikalisierung“ entstehe in dem Moment, in dem eine Bewegung abflaue und es eine Enttäuschung gebe, weil man denke, es verändere sich nichts. „Das birgt bei einigen wenigen den Funken der Radikalisierung. Umso offener muss die Gesellschaft jetzt diskutieren, ob sie wirklich genug gegen den Klimawandel tut und ob es schnell genug geht.“ Er rate den Klimaaktivisten, „ihren Protest zu reflektieren und vor allem die eigene Wut immer wieder zu hinterfragen“, fügte Cohn-Bendit hinzu. „Als wir Studenten 1968 in Paris demonstrierten, hatten wir einen furchtbar dummen Spruch: CRS (Spezialeinheit der Nationalpolizei) gleich SS. So was Absurdes. Man konnte sich gegen das Handeln der Polizei empören, aber sie ernsthaft mit der SS zu vergleichen war aberwitzig.“ Dass auch manche Klimaaktivisten auf den „repressiven Staat“ schimpften, sei „genauso eine Übertreibung wie bei uns damals der Vergleich mit der SS“, sagte Cohn-Bendit. „Unser Staat ist nicht perfekt, aber mit Sicherheit nicht undemokratisch repressiv. Die sollten sich mal im Iran ankleben, da würden sie sehen, was ein repressiver Staat ist.“




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