Sowohl die Vertreter der erneuerbaren Energien als auch der Kohle- und Ölindustrie wehren sich gegen die Höhe und Methode der Gewinnabschöpfung. Dringend benötigte Investitionen in die grüne Transformation des Energiesektors würden so erschwert, heißt es fast gleichlautend bei den Branchenvertretern, berichtet die „Welt am Sonntag“.
„Auf der einen Seite sagt der Staat: Bis 2030 brauchen wir erhebliche zusätzliche Kapazitäten an Windkraft und Fotovoltaik, wir müssen die Ausbauziele vervielfachen“, sagte Thorsten Kramer, Vorstandsvorsitzender des Braunkohlekonzerns „LEAG“. „Auf der anderen Seite greift die Politik genau jenen Unternehmen ins Portemonnaie, die das umsetzen und bezahlen sollen.“ Die „LEAG“ hatte angekündigt, mit Investitionen von zehn Milliarden Euro die Tagebaue der Lausitz zum größten deutschen Ökostrom-Cluster umzuwandeln. Der Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE) hält die „Treppenansatz“ genannte, technologiespezifische Gewinnabschöpfung wegen der geplanten Rückwirkung zum 1. September für verfassungswidrig. Auch würden grüne Investitionen erschwert. „Der Treppenansatz der Bundesregierung sieht eine Erlösabschöpfung 3 Cent oberhalb der jeweiligen EEG-Vergütung vor“, erklärt ein Sprecher: „Das ermöglicht in Bezug auf eine Windenergieanlage Mehreinnahmen von maximal circa 30 Prozent.“ Dies sei zu wenig. „Die Investitionskosten für Erneuerbare Energien sind in den letzten zwölf Monaten teilweise um deutlich über 50 Prozent gestiegen.“ Zudem verstoße das Abschöpfungskonzept des Bundes auch gegen das EU-Prinzip der Technologieneutralität, argumentiert der BEE. Aus diesem Grund sei eine befristete Steuer das geeignetere Instrument. „Das zuletzt von der Bundesregierung vorgeschlagene Modell ist in der Umsetzung extrem komplex“, kritisierte Kerstin Andreae, Sprecherin der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): „Die Bundesregierung sollte daher dringend ein praktikableres und zukunftsgerichtetes Modell der Abschöpfung erarbeiten und auch ein Steuermodell als Alternative zu der Erlösobergrenze prüfen.“ Dies wäre ebenso effektiv, aber ein weniger harter Markteingriff. Bei der konkreten Ausgestaltung müsse sichergestellt sein, „dass Unternehmen auch weiterhin in eine sichere, klimafreundliche und bezahlbare Energieversorgung der Zukunft investieren können.“ Auch die Mineralöl-Industrie sieht Probleme. „Die für die Ermittlung eines Referenzgewinns herangezogenen Jahre von 2018 bis 2021 waren über Gebühr durch coronabedingte Verluste bei Raffinerien geprägt“, sagte Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Fuels and Energy. Das könne bei Unternehmen dazu führen, „dass bereits für dieses Jahr ab dem ersten Euro Ertrag eine zusätzliche Solidaritätsabgabe fällig werden würde, und das, bevor Verluste der Vorjahre ausgeglichen werden konnten.“ Dabei stehe die Branche „vor dringend notwendigen Milliardeninvestitionen in die Transformation hin zur Klimaneutralität“, mahnte Küchen.
„Keineswegs darf die nationale Einführung dieser Solidaritätsabgabe dazu führen, dass diese Investitionen verzögert oder möglicherweise ganz ausgesetzt werden.“