„Wir werden im Verlauf des Jahres 2023 einen Waffenstillstand haben“, sagte der frühere NATO-General Hans-Lothar Domröse den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben). Zwar würden sowohl die Ukraine als auch Russland in den nächsten Monaten noch einmal eine Offensive starten, um zu versuchen, ihre militärischen Ziele doch noch zu erreichen, aber er rechne im Frühsommer mit einem Stillstand.
Dann würden Russland und die Ukraine erkennen, dass sie nicht weiterkämen und es keinen Sinn ergebe, weiterzukämpfen, wenn man gar keinen Raum mehr gewinne. „Das wäre der Moment für Waffenstillstandsverhandlungen“, sagte Domröse, der auch General des Heeres bei der Bundeswehr war. Es bleibe nur eine Verhandlungslösung, die für beide Seiten akzeptabel sei. Eine Lösung könne sein, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf die Forderung verzichte, von Russland besetzte Gebiete wie die Krim sofort wieder in die Ukraine einzugliedern. Stattdessen könne man eine Übergangsfrist vereinbaren, so wie es etwa beim Übergang Hongkongs an China eine Übergangsfrist von 50 Jahren gebe. Auch der Russland- und Sicherheitsexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Andras Racz, sagte den Funke-Zeitungen, im Sommer könnte es Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland geben. „Ich bin ziemlich sicher, dass wir zum Jahresende eine Art Waffenstillstand haben werden: Mit hoffentlich gar keinen Kämpfen mehr, aber jedenfalls sehr viel geringeren Kämpfen“, sagte Racz. Er verwies darauf, dass in Russland 2024 Präsidentschaftswahlen anstehen: „Es ist unwahrscheinlich, dass Russland einen intensiven Krieg auch vor oder während der Wahlen führen möchte. Ich erwarte, dass Russland deshalb im Lauf des Jahres die Intensität der Kämpfe verringern will. Auch, weil sich im Sommer die Nachschubprobleme der russischen Armee verstärken dürften.“
Racz erinnerte daran, dass schon unter den Minsk-Abkommen mehrmals ein Waffenstillstand vereinbart worden war. Damals habe die Intensität der Kämpfe abgenommen, aber sie endeten nicht.
„Es war ein begrenzter Krieg, in dem beide Seite diplomatische Beziehungen hatten, es Handel und Energielieferungen gab – und trotzdem gingen die Kämpfe weiter. In einem Jahr werden wir einen begrenzten Krieg haben“, sagte der Sicherheitsexperte. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister (CDU), sagte unterdessen, der Kreml könne und dürfe der Ukraine keinen Diktatfrieden aufzwingen. „Ob und wann die Bedingungen für Waffenstillstandsverhandlungen gegeben sind, das entscheidet allein die ukrainische Regierung“, sagte McAllister den Funke-Zeitungen.