Die FDP macht für die von ihr geforderte Wirtschaftswende Druck auf SPD und Grüne und verlangt unter anderem eine weitreichende Reform des Bürgergeldes. Das berichtet die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf eine Beschlussvorlage, die am Montag im Präsidium beschlossen und auf dem Parteitag am Wochenende eingebracht werden soll. Darin listet die Partei zwölf Forderungen zu Sozialleistungen, Rente, Steuern und Subventionen in Deutschland auf.
Die drastischsten Forderungen stellt das Partei-Präsidium im Sozialbereich auf. In dem Entwurf heißt es: „Wer seinen Mitwirkungspflichten im Bürgergeld nicht nachkommt und beispielsweise zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen.“ Der Spielraum für verschärfte Sanktionen müsse ausgenutzt werden, „bis hin zu einer vollständigen Streichung von Leistungen“.
Darüber hinaus wird ein Sozialleistungsmoratorium für drei Jahre gefordert, auch bei der Bürgergeldberechnung müsse strikt die regelbezogene Preisentwicklung berücksichtigt werden, was auf eine Nullrunde für das Jahr 2025 hinauslaufen würde. Die Rente mit 63 soll laut dem Papier abgeschafft werden. Angesichts des Fachkräftemangels könne man sich den frühzeitigen Ruhestand nicht mehr leisten. Außerdem soll der Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung nach Erreichen der Regelarbeitsgrenze gestrichen werden. „Wer mit 72 noch arbeiten möchte, soll dies unter attraktiven Bedingungen auch machen können“, heißt es in dem zweiseitigen Papier.
Doch auch zur Klima- und Wirtschaftspolitik stellt der Entwurf Forderungen auf. So sollen Windräder und Solaranlagen laut der Beschlussvorlage nicht mehr staatlich gefördert, die EEG-Umlage abgeschafft werden. Erneuerbare Energien sollen „endgültig in den Markt“ übernommen werden, bis dahin müsse die EEG-Umlage gesenkt werden. Das deutsche Lieferkettengesetz solle ausgesetzt werden. Bei der Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie sollen „alle Spielräume genutzt werden, um unverhältnismäßige und praxisferne Belastungen für die Wirtschaft zu verhindern“.
Zudem ist in der Vorlage die Forderung nach einem „Jahresbürokratieabbaugesetzes“ zur Bekämpfung des „Bürokratie-Burnouts“, der vollständigen Abschaffung des Solis und einer Senkung der Baukosten enthalten.
CDU und CSU sehen die Ampel-Regierung nach der Veröffentlichung des Papiers kurz vor dem Aus. „Das ist nichts anderes als eine Scheidungsurkunde für die Ampel“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der „Bild“.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte: „Das Papier liest sich wie `Lambsdorff 2.0`.“ Eine Anspielung auf das berühmte Konzept des damaligen FDP-Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff in der sozial-liberalen Koalition unter SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Das Papier aus dem Jahr 1982 war gespickt mit Ideen für eine „Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ – und ist als „Scheidungsbrief“ in die Geschichte eingegangen.
Linnemann fordert: „Die FDP muss sich ehrlich machen. Entweder sie steigt aus der Ampel aus oder sie setzt einige notwendige Maßnahmen durch. Da sind einige Punkte drin, die man unter schwarz/gelb schnell umsetzen könnte.“ Der CDU-Generalsekretär weiter: „Diese permanenten Ankündigungen, die dann prompt von der SPD und den Grünen abgelehnt werden, sind ein Grund dafür, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren. Die Ampel streitet nur, handelt aber nicht. Das muss ein Ende haben.“
Scharfe Kritik an dem FDP-Papier kam aus der Linken: „Das Papier der FDP ist ein Dokument der sozialen Grausamkeit“, sagte Linken-Chef Martin Schirdewan am Sonntag. „Es zeigt: die Ampeldämmerung hat längst begonnen.“ Mit dieser Regierung sei keine soziale Politik zu machen, weder für arme Kinder, Mieter noch eine zukunftsfähige Wirtschaft. „Wenn SPD und Grüne die FDP damit erneut durchkommen lassen, sind sie politisch erledigt.“