Der Entwurf der Berliner Ampelkoalition für den Bundeshaushalt 2025 stößt unter führenden deutschen Wirtschaftsforschern auf ungewöhnlich scharfe Kritik. Anlass sind die trotz wochenlanger Verhandlungen verbleibende Zwölf-Milliarden-Euro-Lücke und vor allem die Halbierung der Hilfen für die Ukraine auf vier Milliarden Euro im kommenden Jahr, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Montagsausgabe).
„Ich bin einigermaßen fassungslos, dass hier offenbar der Koalitionsfrieden auf Kosten der Ukraine und der europäischen Sicherheit gerettet werden soll“, sagte der Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, der FAZ. Für einen vergleichsweise kleinen Betrag in der überragenden sicherheitspolitischen Frage in Europa die Handlungsfähigkeit Deutschlands zu gefährden sei „kurzsichtig und gefährlich“.
Die Vorsitzende des Sachverständigenrates Monika Schnitzer sprach von einem „fatalem Signal“ an Russland. Die Kürzung könne für Deutschland, zum Beispiel durch weitere Ukraine-Flüchtlinge, zu Folgekosten führen, die weitaus höher seien als die jetzt eingesparten Mittel.
Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte der FAZ, man müsse kein Experte für Sicherheitspolitik sein, um zu verstehen, dass die erfolgreiche Verteidigung der Ukraine im dringenden Interesse Deutschlands liege. „Deshalb ist es schwer nachvollziehbar, dass die finanzielle Unterstützung der Ukraine nicht deutlich erhöht wird, ganz unabhängig von der Frage, ob Einkünfte aus russischem Vermögen herangezogen werden können“, sagte Fuest.
Die Bundesregierung setzt darauf, dass die Kürzung der eigenen Hilfen durch einen internationalen 50-Milliarden-Dollar-Kredit kompensiert wird. Dieser soll mit den Erträgen aus eingefrorenem russischen Vermögen finanziert werden. Die G7-Staaten haben dieses Vorgehen beschlossen. Es sei aber unklar, wann genau das Geld aus den russischen Assets zur Verfügung steht, kritisierte Schularick.
Moderatere Töne schlagen in der FAZ Ökonomen an, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) näher stehen. Scholz und Lindner sollen die Kürzungen laut FAS angewiesen haben. Lindners ökonomischer Berater Lars Feld sagte, der Finanzminister habe doch mehrfach klar gemacht, dass alles Notwendige für die Ukraine unternommen und finanziert werde. „Wenn ein Finanzierungsweg nicht funktionieren sollte, findet sich im Haushalt Spielraum. Der Bundeshaushalt ist ja groß genug“, so Feld. In einer Reaktion auf den FAS-Bericht signalisierte das Finanzministerium Bereitschaft, die kurzfristige Bereitstellung weiterer Mittel zu prüfen. Wo genau dieses Geld herkommen soll, bleibt allerdings unklar.
Jens Südekum, Volkswirt aus Düsseldorf und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des SPD-Wirtschaftsforums, sieht in der Mittelkürzung „keinen Wortbruch gegenüber der Ukraine“. Deutschland bleibe nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine. Er zeigte sich zudem zuversichtlich, dass die Ukraine dank des zugesagten 50-Milliarden-Kredits „nächstes Jahr insgesamt nicht weniger, sondern mehr Geld zur Verfügung hat als dieses Jahr“. Es sei legitim zu sagen, dass Kiew noch deutlich mehr finanzielle Unterstützung brauche. Das sei allerdings nur durch ein abermaliges Aussetzen der Schuldenbremse möglich gewesen. „Aber das war mit der FDP eben nicht zu machen“, so Südekum.
Bestenfalls verhalten fallen die Reaktionen auf den Haushaltsvorschlag der Ampel als Ganzes aus. SPD, Grüne und FDP hatten sich am Freitagnachmittag auf einen Entwurf geeinigt, der eine bislang nicht gedeckte „Globale Minderausgabe“ von zwölf Milliarden Euro enthält. Das Ziel diese Lücke wie üblich auf einen einstelligen Milliardenbetrag zu reduzieren hat die Regierung verfehlt.
Ein Beinbruch sei das zwar nicht, sagte Südekum, man hole sich damit aber neue Risiken ins Haus. Die Sachverständigen-Vorsitzende Schnitzer kritisierte vor allem, dass die Regierung eine offene Diskussion über notwendige Einsparungen und dringend notwendige Investitionen gescheut habe. Schularick bezeichnete den Haushalt als „kraftlosen Minimalkompromiss, von dem keine größeren positiven ökonomischen Impulse ausgehen werden“.