Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, hat die Einigung der europäische Finanzminister auf neue EU-Schuldenregeln kritisiert. „Meines Erachtens sind die neuen Fiskalregeln eine Verschlechterung gegenüber dem bereits beklagenswerten Status quo“, sagte Fuest der „Welt“ (Freitagausgabe). Die Schulden in den EU-Mitgliedstaaten seien hoch wie nie, und die EU reagiere darauf mit einer weiteren Verwässerung der Regeln.
„Es handelt sich nun mehr denn je um einen letztlich unverbindlichen Rahmen für die Fiskalpolitik“, sagte Fuest. Es gebe noch mehr Ausnahmen und Interpretationsspielräume als bisher. „Dass die Europäische Kommission nun größere Entscheidungsspielräume bei der Überwachung der Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten hat, wird die Akzeptanz der Vorgaben in den Mitgliedstaaten untergraben.“ Im Konfliktfall werde es heißen, dass bürgerferne Technokraten den demokratisch direkter legitimierten nationalen Parlamenten Vorschriften machen wollten, sagte Fuest. Friedrich Heinemann, Leiter des Bereichs Öffentliche Finanzen am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim ergänzte, mit der nun gefundenen Lösung sei „nicht viel mehr als eine Schadensbegrenzung gelungen“. Positiv lasse sich sagen, dass sich der Widerstand aus Deutschland gegen den anfänglichen, noch laxeren Vorschlag der Kommission gelohnt habe. „Der Abbau des Schuldenstands wird nicht zum Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, sondern muss sofort in einem realistischen Umfang erfolgen“, hob er positiv hervor. Auch sei es gut, dass Länder mit hohen Schulden schärfere Vorgaben erhielten. Allerdings gebe es viele Ausnahmeklauseln, die auf eine starke Aufweichung der Regeln hinausliefen. „Dass Zinszahlungen unberücksichtigt bleiben, ist falsch. Denn steigende Zinsen engen nun einmal Finanzierungsspielräume ein“, sagte Heinemann als Beispiel. Diese Lasten einfach wegzudefinieren, sei Realitätsverweigerung. „Am Ende wird in der nächsten Schuldenkrise dann wieder die Europäische Zentralbank sein, die die Kastanien aus dem Feuer holen und ihre Staatsfinanzierung wieder aufnehmen muss“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. All das seien keine guten Nachrichten für die Stabilitätsperspektive des Euros.