Greenpeace befürchtet durch den geplanten Ausbau der Fernstraßen in Deutschland schwere Umweltschäden. Dabei beruft sie sich auf eine neue Analyse, die von der Umweltorganisation in Zusammenarbeit mit der Denkfabrik Naturwald Akademie erstellt worden ist und über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagsausgaben) berichten.
Demnach würde der Aus- und Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen Wälder und Moore vernichten, in denen heute über 7,5 Millionen Tonnen CO2 gebunden sind. Beide Organisationen haben erstmals den möglichen Verlust natürlicher Kohlenstoffspeicher durch den Straßenausbau erhoben. Anhand einer Auswertung von Geodaten sei festgestellt worden, dass mehr als 5.600 Hektar Wald- und mehr als 1.000 Hektar Moorflächen durch die rund 10.000 Kilometer Straßenprojekte des aktuellen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) zerstört würden, hieß es.
Der BVWP von 2016 berücksichtige diesen Klimaschaden bislang nicht, bemängelt Greenpeace. „Wälder und Moore sind unsere Verbündeten gegen die Klimakrise. Sie dem Autobahnbau zu opfern, ist klimapolitisches Harakiri“, sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat. „Die Bundesregierung plant Straßen, ohne den Schaden für das Klima überhaupt zu kennen.“
Das Bundesverkehrsministerium widersprach dieser Darstellung auf Anfrage. Die Behauptung von Greenpeace, man plane Straße, ohne die Auswirkungen auf das Klima zu kennen, treffe nicht zu, so eine Sprecherin von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). „Bei der Zulassung jeder einzelnen Straßenbaumaßnahme werden die großräumigen Klimawirkungen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung ermittelt, dargestellt, durch die zuständige Behörde bewertet und als öffentlicher Belang in die Abwägung eingestellt“, sagte sie. In welchem Umfang tatsächlich Wald- und Moorflächen in Anspruch von den Projekten betroffen sein werden, ergebe sich jedoch erst aus der konkreten Trassenführung, die sich erst in weiteren Planungsschritten konkretisiere. Das Ausmaß der von Greenpeace befürchteten Schäden kommentierte die Sprecherin nicht.
Der Bundesverkehrswegeplan gehört zu den Streitthemen innerhalb der Ampel-Koalition. Den großen Straßenausbauplan hatte 2016 noch die damalige schwarz-rote Bundesregierung beschlossen. Weit mehr als 1.000 Projekte für den Zeitraum finden sich darin. Umweltorganisationen hatten dem Bundesverkehrsminister bereits in der Vergangenheit vorgeworfen, die Umweltauswirkungen des Autobahnausbaus kleinzurechnen. Wissing will den Autobahnbau wieder beschleunigen.
Daran gibt es auch Kritik vom Koalitionspartner. Der Bundesverkehrswegeplan sei mit Blick auf den Straßenbau „komplett überfrachtet und aufgebläht“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar. „Viele der Neubauprojekte konterkarieren die Bemühungen, die Klimakrise und das Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten noch einzudämmen“, so der Abgeordnete. Hinzu komme, dass das bestehende Straßennetz bereits an vielen Stellen marode sei, viele Brücken zudem sanierungsbedürftig. „Wir müssen jetzt Prioritäten setzen und uns voll auf den Erhalt der Infrastruktur konzentrieren“, fordert Gelbhaar.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion warnt hingegen davor, den benötigten Infrastrukturausbau und den Klimaschutz gegeneinander auszuspielen. „Vielmehr gilt es, in einem modernen Industrieland alle Interessen unter einen Hut zu bringen. Beim Bau von Bundesfernstraßen werden die Auswirkungen auf die Natur in einem gesetzlich festgelegten Verfahren umfassend geprüft. Für jede Beeinträchtigung der Natur und Landschaft müssen Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden“, sagte die umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber.