Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, ruft die Politik zu einer offenen Debatte über einen Verzicht auf Errungenschaften zugunsten der Verteidigungsausgaben auf.
Vor dieser Diskussion schrecke die Politik aber zurück, sagte Heusgen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Montagausgaben). „Wir bräuchten eine Diskussion darüber, wie viel uns Sicherheit wert ist und worauf wir verzichten wollen, wenn wir die zwei Prozent langfristig im Haushalt verankern“, mahnte er mit Blick auf die Vorgabe der Nato an ihre Mitgliedstaaten, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Es sei besser, die Dinge klar auszusprechen. Die Bürger hätten dafür Verständnis.
Bundeskanzler Olaf Scholz habe für seine Zeitenwende-Rede kurz nach Russlands Überfall auf die Ukraine viel Anerkennung in der Bevölkerung bekommen und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) habe hohe Beliebtheitswerte. „Wir erleben zu oft eine Politik, die zu wenig darstellt, was Putin macht. Er sagt, dass sein Ziel die Wiederherstellung der Sowjetunion beziehungsweise des Zarenreiches ist“, betonte Heusgen. „Bei uns ist die Diskussion eine völlig andere als in Polen und in den baltischen Staaten, die uns immer wieder vor Putin warnen. Ich weiß nicht, wo wir intellektuell diesen Hochmut hernehmen, die Warnungen dieser Länder einfach zu ignorieren.“
Der Kritik von AfD und BSW an den Waffenlieferungen für die Ukraine hielt Heusgen entgegen: „Vor welcher Alternative steht die Ukraine? Wir haben die Gräuel gesehen, die russische Truppen in Mariupol, in Irpin, in Butscha der Bevölkerung angetan haben.“ Russland zerstöre das Land. „Deswegen werden die Ukrainer sich mit bloßen Händen verteidigen, wenn sie keine Waffen bekommen, weil sie nicht das Schicksal erleiden wollen, das ihre Landsleute erlitten haben.“