Der ehemalige deutsche Botschafter in Washington und langjährige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Wolfgang Ischinger, hält US-Vizepräsidentin Kamala Harris für Donald Trump für „sehr viel gefährlicher“ als es Joe Biden gewesen wäre.
Ischinger sagte dem TV-Sender „Welt“ am Montag in Aspen (US-Staat Colorado) zur Begründung: „Sie kann die Frage des Alters und der Fähigkeit, mit den Themen umzugehen, gegen Trump wenden.“ Die Rede von Trump auf dem Parteitag der Republikaner vergangene Woche in Milwaukee „war ja nun nicht gerade ein Beweis großer geistiger Konzentration: Das ging vom Stöckchen zum nächsten Stöckchen.“
Hier könne Harris „den Spieß umdrehen“. Außerdem könne sie als Frau beim wichtigen Thema Abtreibung bei weiblichen Wählern punkten. Mit dem Rückzug Bidens beginne eine neue Epoche, „die aus meiner Sicht für Donald Trump sehr viel gefährlicher sein wird“.
Die Gefahr eines Machtvakuums an der Spitze der USA mit Blick zum Beispiel auf die Ukraine sieht Ischinger, der auch Präsident des Stiftungsrats der Münchner Sicherheitskonferenz ist, nicht: „Wirklich wichtige strategische Entscheidungen werden beispielsweise die Chinesen oder die Russen ohnehin mit den USA erst treffen wollen, wenn klar ist, wer nach den Wahlen im November im Weißen Haus sitzt. Das heißt: Auf den nächsten Präsidenten – egal, ob das jetzt Donald Trump sein wird oder Kamala Harris oder ein anderer Demokrat – kommen große neue Verantwortlichkeiten zu.“ Außerdem werde es in den kommenden Tagen und Wochen gar nicht mehr um Joe Biden gehen, sondern um Kamala Harris oder einen anderen Kandidaten in der Auseinandersetzung mit Donald Trump.
Ischinger weiter: „Biden, das ist im Prinzip jetzt schon die Vergangenheit. Jetzt geht es um den Wahlkampf, jetzt geht es um den demokratischen Parteitag im August und um zwei, drei Monate intensiven Wahlkampfs.“ Außerdem sei Biden nicht so angeschlagen, „dass er sein aktuelles Amt nicht ausfüllen kann“. Es sei ein „riesigen Unterschied, ob jemand einen Wahlkampf mit permanenten Auftritten zwischen jetzt und November körperlich und natürlich auch mental durchziehen kann, oder ob der Präsident sich im Weißen Haus, umgeben von seinen Beratern, dazu durchringt, die eine oder andere Entscheidung zu treffen, die er ja im Zweifel dann auch noch mal überdenken kann“.
Trump werde daher nicht durchdringen mit dem Argument: „Wer nicht fit genug ist für den Wahlkampf, der ist auch nicht fit genug für die Fortführung des Amts im Weißen Haus. Das finde ich ein etwas billiges Argument.“