Lauterbach will „Neustart“ bei Digitalisierung im Gesundheitswesen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat einen "Neustart" für die Digitalisierung im Gesundheitswesen angekündigt.

Deutschlands hänge in diesem Bereich „um Jahrzehnte zurück“, sagte er am Donnerstag. Geplant sind demnach unter anderem ein „Digitalgesetz“ und ein „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“.

„Moderne Medizin basiert auf Digitalisierung und Daten, ihre Vorteile zu nutzen, macht Behandlung besser“, sagte der Minister dazu. Das „Digitalgesetz“ beinhaltet die Vorhaben, dass das „E-Rezept“ zum kommenden Jahr verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und deren Nutzung vereinfacht wird. Zudem soll die elektronische Patientenakte (ePA) bis Ende 2024 für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet werden. Darüber hinaus soll Forschung auf Grundlage von Gesundheitsdaten erleichtert werden.

Im Rahmen des „Gesundheitsdatennutzungsgesetzes“ soll eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle aufgebaut werden, die den Zugang zu Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen ermöglicht, wobei die Daten aber dezentral gespeichert bleiben. Über eine App soll die Datenfreigabe aus der elektronischen Patientenakte steuerbar sein. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) pocht dabei auf die „informationelle Selbstbestimmung“ der Patienten. Nutzer müssten „einfach festlegen können, welcher Arzt auf welche Gesundheitsdaten zugreifen darf“, sagte Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik, am Donnerstag zur Digitalisierungsstrategie des Gesundheitsministeriums.

Diese sei eine „Chance“, wenn dadurch die Gesundheitsversorgung für Patienten „leichter zugänglich“ werde. Sie warnt aber auch davor, Menschen mit weniger digitaler Erfahrung „abzuhängen“. So dürften Patienten, „die auch künftig ihren Arzttermin per Telefon vereinbaren möchten, nicht schlechter gestellt werden als diejenigen, die eine digitale Terminvermittlung nutzen“, so Schröder. Die deutschen Hausärzte fordern unterdessen alltagstaugliche Lösungen bei der flächendeckenden Einführung der elektronischen Patientenakte.

Die Bundesregierung müsse eine „praxistaugliche“ elektronische Patientenakte umsetzen, die den Ansprüchen an einen vernünftigen Datenschutz gerecht werde, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Markus Beier, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Einfach nur die elektronische Patientenakte in ihrer derzeitigen Ausgestaltung jedem Patienten verpflichtend zur Verfügung zu stellen, wäre sicherlich die schlechteste Lösung.“ Die elektronische Patientenakte habe das Potenzial, die Versorgung der Patienten deutlich zu verbessern und zu vereinfachen. Wichtig sei es aber, dass Patienten, die keine elektronische Patientenakte haben wollten, dieser einfach und schnell widersprechen könnten, auch ohne selbst IT-Experten zu sein.

„Ansonsten sehen wir die Gefahr, dass Vertrauen in die elektronische Patientenakte verloren geht“, so Beier. Zudem seien intelligente Lösungen nötig, damit die Hausärzte zum Start der neuen Patientenakte nicht für tausende Patienten einzeln die bisherige Krankheitsgeschichte händisch in die digitale Akte eintragen müssten. „Diese Zeit ist schlichtweg nicht da.“ Vieles hänge darüber hinaus von den Praxisverwaltungssystemen ab, also den Programmen, die die Ärzte auf ihrem Bildschirm sehen.

Hier sei das Angebot nach wie vor „katastrophal“. Die bisherigen Erfahrungen mit den Digitallösungen seien zum Großteil verheerend gewesen, mahnte der Hausärztechef: Anwendungen funktionierten nicht oder stürzten regelmäßig ab, die Prozesse dauerten ewig. „Das hat zu viel Frust geführt.“ Die Zeit in den Hausarztpraxen sei so knapp bemessen, dass man sich Verzögerungen durch nicht-funktionierende Digitalanwendungen nicht leisten könne. „Das muss sich ändern.“ Zu Tempo bei der Umsetzung der Pläne von Lauterbach mahnte der Vorstandsvorsitze der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas. „Entscheidend ist, dass die Änderungen nicht nur auf dem Papier gut klingen, sondern auch zügig Einzug in den Praxisalltag finden“, sagte Baas der „Rheinischen Post“ (Freitagsausgabe). „Wir brauchen dringend eine schnelle Umsetzung.“ Man habe seit zwei Jahren eine elektronische Patientenakte, die kaum genutzt werde. Die Opt-Out-Regelung allein werde die Nutzung in den Arztpraxen nicht steigern. „Die Akte darf kein stummer Begleiter im Hintergrund sein, sondern muss aktiv von Ärzten und Patienten genutzt werden“, sagte Baas.




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