Trotz heftiger Gegenwehr von Lehrerverbänden hat OECD-Bildungsdirektor und Pisa-Koordinator Andreas Schleicher seine Kritik an der Arbeitsweise deutscher Lehrkräfte erneuert. Die Pisa-Resultate für Deutschland seien „sehr enttäuschend“, sagte Schleicher der „Welt“.
„Es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, sonst wird sich auch in Zukunft nichts verbessern. Kein Bildungssystem kann besser sein als seine Lehrkräfte.“ Die Schülerleistungen bei Pisa hätten gezeigt, dass es große Leistungsdefizite und eine sehr ungerechte Verteilung von Bildungschancen gebe, so Schleicher.
„Das hat viele Gründe, aber das, was im Unterricht passiert, ist Teil dieser Baustelle.“ Lehrkräfte in Deutschland unterrichteten nicht mehr, sondern weniger Stunden als im OECD-Durchschnitt, so Schleicher weiter. „Gleichzeitig sehen wir, dass Schüler in Deutschland oft gut sind bei der Reproduktion von Fertigwissen, aber es schwer haben, ihr Wissen kreativ auf neue Themenfelder anzuwenden. Das zählt heute aber und da braucht man ein Unterrichtsdesign, das kreativer, interessanter und spannender ist als bisher.“
Das Arbeiten nach den alten Lehrplänen funktioniere heute so nicht mehr, so Schleicher weiter. „Die Google-Welt belohnt uns nicht mehr für Antworten, sondern fürs Fragenstellen.“ Ihm gehe es nicht um Schuldzuweisungen, so Schleicher. Lehrkräfte in Deutschland hätten objektiv weniger Gestaltungsfreiheit als zum Beispiel in Dänemark oder den Niederlanden. „Ich glaube aber auch, dass sie ihre vorhandenen Freiräume nicht so intensiv nutzen wie die Kollegen in anderen Ländern.“
In vielen erfolgreichen Ländern begriffen sich Lehrkräfte nicht nur als Wissensvermittler, sondern auch als Coach, Mentor und Sozialarbeiter. „Dadurch kennen sie ihre Schüler besser und wissen, wie sie sie auf ihrem Weg begleiten können. Das macht sehr viel aus“, sagte Schleicher. „Lernerfolg und Disziplin im Klassenzimmer sind immer auch eine Folge der Qualität von Beziehungen.“