„Wahrscheinlich werden von den zwölf Prozentpunkten, die die Mehrwertsteuer jetzt in der Gastronomie steigt, 70 bis 80 Prozent an die Kunden weitergegeben“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dem „Spiegel“ am Freitag. Das entspräche rund zehn Prozent höheren Preisen.
Fratzscher verweist dabei auf Erfahrungen aus der flächendeckenden Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020. Womöglich hätten einige Restaurants aber auch noch einen Gewinnpuffer. „Die Gastronomie hat die Preise in den vergangenen beiden Jahren bereits deutlich stärker erhöht als die Inflation.“ Die Abschaffung des Steuerprivilegs an sich verteidigt der Ökonom. „Es gibt keine Rechtfertigung für die Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung mehr“, sagte Fratzscher. Es sei darum gegangen, der von der Coronakrise besonders hart getroffenen Branche zu helfen. Die Senkung „ist teuer, das Geld fehlt irgendwo anders, für die Kindergrundsicherung und die Bekämpfung von Armut“, sagte er. „Es ist eine Steuersenkung, die vor allem Besserverdienern zugutekommt und keine sozial ausgewogene Entlastung. Leute, die zum Mindestlohn arbeiten, können sich die Angebote in der Regel sowieso nicht leisten.“
Mit einer von Branchenvertretern befürchteten Pleitewelle rechnet er nicht. „Die Mehrwertsteuer wurde gesenkt, damit es für die Kunden günstiger wird und so die Nachfrage steigt. Die Senkung sollte nicht in erster Linie eine direkte Subvention für die Unternehmen sein.“
Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, dann hänge das nicht notwendigerweise an der Mehrwertsteuer, sondern vor allem an strukturellen Gründen wie den fehlenden Fachkräften oder sich ändernden Bedürfnissen der Kunden. So sei durch die Pandemie der Anteil an Geschäftsreisen etwa deutlich zurückgegangen.