„Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Forderung, Frauen in Begleitung von Kindern von schnellen Asylverfahren auszunehmen, mag zwar auf den ersten Blick richtig sein, aber sie ist aus polizeilicher Sicht praxisfremd und letztlich auch kontraproduktiv“, sagte Österreichs Kanzler Karl Nehammer der „Welt am Sonntag“.
Dies führe dazu, „dass künftig insbesondere Frauen mit Kindern von ihren Verwandten auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer geschickt und skrupellosen Schleppern hilflos ausgeliefert werden“. Nehammer weiter: „Eine solche Ausnahmeregelung wäre praktisch eine Einladung für Frauen mit Kindern, die illegale Migration nach Europa zu wagen – und im Falle einer Schutzgewährung, die gesamte Familie nachzuholen.“ Der Regierungschef kündigte an, dass „Österreich einer Ausnahmeregelung für Frauen mit Kindern in dieser Form nicht zustimmen würde“. Hintergrund: Die EU-Innenminister hatten sich im Juni auf die Grundzüge einer neuen EU-Asylpolitik geeinigt. Dazu gehören auch schnelle Asylverfahren für ankommende Personen an den EU-Außengrenzen, die wenig Chancen auf Asyl haben. Das sind etwa 25 Prozent aller Migranten. Deutschland fordert, Frauen mit Kindern von diesen schnellen Asylverfahren auszunehmen. Die EU-Länder lehnten diese Forderung im Juni ab. Aber auch weite Teile des EU-Parlaments vertreten die Auffassung Deutschlands, Frauen mit Kindern auszunehmen. Spätestens Anfang des kommenden Jahres müssen Parlament und die 27 EU-Mitgliedstaaten einen Kompromiss finden, damit die geplanten Neureglungen auch Gesetz werden können. Zugleich erklärte Nehammer, dass sein Land die Forderung nach EU-Asylverfahren in Drittstaaten – diese Forderung hat bisher keine Mehrheit in Brüssel gefunden – nicht aufgeben werde: „Österreich wird auch in Zukunft mit aller Kraft in der EU dafür eintreten, die politischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Asylverfahren bereits außerhalb der EU durchgeführt werden. Wir werden nicht nachgeben.“
Entsprechende Abkommen mit Drittstaaten seien möglich, so Nehammer. Dies zeige das Beispiel Ruanda, denn das afrikanische Land habe mit Dänemark bereits eine solche Vereinbarung getroffen. „In diesem Fall würden die Migranten erst gar nicht europäischen Boden betreten. Sie könnten bei einem Ablehnungsbescheid auch nicht mehr in der EU einfach untertauchen oder in mehreren europäischen Ländern gleichzeitig Asylanträge stellen“, sagte Nehammer.
Außerdem würde man so „das Geschäftsmodell der organisierten Kriminalität zerstören und den mörderischen Transport über das Mittelmeer beenden, weil die Asylentscheidung nicht mehr in Europa gefällt wird und damit hier auch kein dauerhafter Schutzstatus mehr vergeben wird.“