Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) fürchtet angesichts der Bauern-Proteste eine tiefere Spaltung der deutschen Gesellschaft. „Die Menschen auf dem Land haben das Gefühl, abgehängt zu sein“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben). Sie sorgten sich, dass sie „in einer zunehmend von Städtern dominierten Politik unter die Räder kommen“, so Özdemir.
„Das ist ein gefährlicher Spaltpilz, der zu Verhältnissen wie in den USA führen kann: Man redet nicht mehr miteinander, man glaubt einander nicht mehr und unterstellt sich gegenseitig alles Böse dieser Welt“, warnte der Grünen-Politiker. „Wir dürfen nicht die Schwelle überschreiten, die Amerika mit Donald Trump überschritten hat. Unser Ziel muss es sein, das Land in der Mitte zusammenzuhalten.“
Der Minister rief dazu auf, grundsätzlich über die Rolle der Landwirtschaft zu reden. „Wir haben ein massives Problem, wenn die Interessen von Verbrauchern und Landwirtschaft auseinandergehen“, mahnte er. „Der Verbraucher möchte mehr Tierwohl, mehr Klimaschutz, mehr Umwelt- und Artenvielfalt – und das ist auch richtig so. Aber er kauft nicht so ein, auch wenn er sich das leisten könnte.“
Es könne nicht sein, dass der Landwirt die Rechnung für die Wünsche der Verbraucher zahle, so Özdemir. „Wenn wir beispielsweise mehr Tierschutz im Stall wollen, muss das finanziert werden, etwa durch eine Tierwohlabgabe. Das würde eine maßvolle Belastung beim Fleisch bedeuten – um wenige Cent pro Kilo. Das Geld würde der Landwirtschaft zugutekommen.“
Özdemir rief zu einem parteiübergreifendes Bündnis für eine Tierwohlabgabe auf. „Die Lage ist ernst“, sagte er. „Zwischen 2010 und 2020 hat fast jeder zweite Schweinehalter aufgegeben.“
Auch innerhalb der Koalition wünsche er sich mehr Mut. „Es liegt im nationalen Interesse, dass unsere Landwirtschaft eine Zukunft hat“, so Özdemir.