„Wir brauchen sogenannte Vorhaltepauschalen“, sagte Polat der „Welt“ (Montagsausgabe). „Die Länder und Kommunen müssen Bettenkapazitäten vorhalten können, um auf volatile Fluchtbewegungen reagieren zu können.“
Um Geld zu sparen, hatten viele Länder und Kommunen nach den Migrationsbewegungen 2015 und 2016 Plätze in Flüchtlingsunterkünften abgebaut, als sie nicht mehr benötigt wurden. Auf die Frage, wie sich die dauerhafte Bereitstellung von Plätzen finanziell rechtfertigen lasse, sagte Polat: „Die Aufnahme von Geflüchteten ist eine humanitäre Verpflichtung, die sich auch aus den Erfahrungen zweier grausamer Weltkriege ableitet. Wir können nicht davon ausgehen, dass krisen-, kriegs- und klimabedingte Flucht und Migration in Zukunft abnehmen werden.“ Klar sei auch, „dass wir mittelfristig von Migration insgesamt profitieren, weil viele vornehmlich junge Flüchtlinge und Migranten auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen und letztlich Beitragszahler für unsere Sozialsysteme von morgen werden“.
Daneben fordert Polat eine stärkere Beteiligung des Bundes an den aktuellen migrationsbedingten Kosten: „Der Bundeskanzler und der Finanzminister müssen endlich das Versprechen einlösen, die migrationsbedingten Kosten zwischen Bund, Länder und Kommunen fair zu verteilen.“ Im Koalitionsvertrag habe man sich darauf geeinigt, die Aufnahmesysteme und Integrationsinfrastruktur langfristig zu ertüchtigen: „Dazu gehört für uns das sogenannte Vier-Säulen-Modell, also eine faire Kostenteilung zwischen Bund und Ländern. Wir erwarten, dass dieser gordische Knoten auf der MPK am 6. November durchschlagen wird.“ Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae fordert unterdessen von dem Bund-Länder-Treffen am Montag die bundesweite Einführung einer Bezahlkarte für Migranten: „Die Ministerpräsidentenkonferenz muss die bundesweite Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge zum Ergebnis haben“, sagte Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, der „Welt“.
Das sei ein wichtiger Schritt, um Anreize für irreguläre Migration „effektiv zu senken“. Zudem müssten die Asylgerichtsverfahren schneller abgeschlossen werden. „Hier gibt es aktuell noch erhebliche Tempounterschiede zwischen den Bundesländern.“ Der Städtetag fordert Bund und Länder derweil auf, bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Montag für Planungssicherheit bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten zu sorgen.
„Diese MPK ist die letzte Chance für Bund und Länder, in dieser Frage endlich verbindliche finanzielle Zusagen zu machen und den Städten Planungssicherheit zu geben“, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe). „Konkret fordern wir vom Bund eine Pro-Kopf-Pauschale von mindestens 10.000 Euro pro Geflüchteten pro Jahr, deutlich mehr Unterstützung für die Integrationskosten in den Städten und die vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft für Geflüchtete.“ Diese Zusagen benötigten die Städte. „Und die Länder müssen zusichern, die Bundesmittel dann auch möglichst schnell und eins zu eins an die Kommunen weiterzugeben“, ergänzte Lewe.
Zugleich sagte der Präsident, die Kommunen könnten sich in Zukunft nicht immer wieder einen monatelangen Verhandlungsmarathon zwischen Bund und Ländern leisten. „Wir brauchen ein atmendes System zur Finanzierung der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten, das sich den Flüchtlingszahlen anpasst. Das muss bereits ab 2024 im Bundeshaushalt abgesichert sein und dauerhaft gelten“, sagte Lewe.