Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will mit Blick auf die Feiern zu 75 Jahren Grundgesetz eine Volksabstimmung über eine deutsche Verfassung. Eine solche Volksabstimmung würde in Ostdeutschland die „emotionale Fremdheit“ überwinden helfen, die es gegenüber dem Grundgesetz noch gebe, sagte Ramelow der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstagsausgabe).
Mit der Abstimmung nehme man zudem Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern, die die Existenz der Bundesrepublik infrage stellten, den Wind aus den Segeln, sagte Ramelow. „Dann ist es klar, dass all die Schreihälse nur eine radikale Minderheit sind“. Zugleich könne man der AfD begegnen, „in der das Geschwurbel davon, dass es die Bundesrepublik gar nicht gäbe, ja eine Heimat findet“.
Der Übergang in eine Verfassung per Volksabstimmung sei von den Vätern und Müttern sei nach Artikel 146 im Grundgesetz vorgesehen worden. Zwar sei es nach der Wende richtig gewesen, den Beitritt der ehemaligen DDR nach Artikel 23 zu vollziehen, weil die Bundesregierung unter Helmut Kohl damals unter zeitlichem Zugzwang gestanden habe. „Aber die Frage nach einer Verfassung nach Artikel 146 ist trotzdem offen“, sagte Ramelow. Dieser zweite Schritt stehe bis heute aus.
Ramelow kritisierte, dass in den Feiern zu 75 Jahren Grundgesetz in dieser Woche in Berlin die Erfahrungen der neuen Länder nicht ausreichend gewürdigt würden. „Der Osten kommt nur am Rande vor“, sagte er. So fehle die Erfahrung mit dem Runden Tisch nach der Friedlichen Revolution in der DDR und dem Verfassungsauftrag, den die Bürgerrechtler diskutiert hätten.
Er wolle keine neue, ganz andere Verfassung, das Grundgesetz bleibe die Grundlage, sagte Ramelow. Doch sei er der Meinung, „dass wir als Nation reif dafür sind, als Staat mit einer Verfassung leben zu wollen“. Mit einer Volksabstimmung „könnten wir mit Stolz auf die 75 Jahre schauen, aber würden auch die 34 Jahre Transformation und deutsche Einheit in den Blick nehmen“.