Der Deutsche Richterbund hat vor einer massiven Überlastung der deutschen Justiz durch die im Cannabisgesetz vorgesehene Amnestie-Regelung gewarnt. „Die Justiz rechnet bundesweit mit mehr als 100.000 Akten, die im Falle des geplanten rückwirkenden Straferlasses bei Cannabis-Delikten nochmals zu überprüfen sind“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Donnerstagausgabe).
Allein beim Amtsgericht Köln seien es mehr als 10.000 Fälle. „Die dort zuständigen fünf Richter gehen von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von mindestens einer Stunde pro Fall aus, so dass die Prüfung bei 2.000 Fällen pro Kopf und 40 Wochenstunden rechnerisch 50 Wochen oder ein Jahr bräuchte“, sagte Rebehn. „Das kann doch politisch nicht gewollt sein, zumal eine rückwirkende Änderung bereits rechtskräftiger Strafurteile in einem Rechtsstaat eine seltene Ausnahme ist, die anlässlich der Cannabis-Legalisierung nicht gerechtfertigt erscheint.“
Für die Staatsanwaltschaften bedeute das Cannabisgesetz konkret, „dass sie alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz nochmals händisch daraufhin auswerten müssen, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären“, sagte Rebehn. Es müsse ermittelt werden, „ob es bei dem Betäubungsmittelverstoß (auch) um Cannabis ging und um welche Menge es sich dabei handelte“. Das lasse sich aber nicht einfach aus dem Bundeszentralregisterauszug herauslesen, weil die genaue Tathandlung und die Art des Betäubungsmittels dort in der Regel nicht notiert seien.
Auch auf die Gerichte komme deshalb eine enorme Zusatzbelastung zu. „Ist der Angeklagte wegen mehrerer Straftaten zu einer sogenannten Gesamtstrafe verurteilt worden, muss das Gericht die nach neuem Recht nicht mehr relevante Betäubungsmittelstraftat nachträglich außer Betracht lassen und die Strafe mit neuer Begründung neu fassen“, erklärte Rebehn. Der Gesetzgeber sei deshalb gut beraten, die geplante Amnestie-Regelung für noch nicht vollstreckte Altfälle aus dem Cannabisgesetz zu streichen. „Anderenfalls würde die Ampelkoalition eine durch steigende Verfahrenszahlen ohnehin überlastete Strafjustiz ohne Not noch zusätzlich massiv belasten“, beklagte der Richterbund-Geschäftsführer.