Nach der Teillegalisierung von Cannabis rechnet der Deutsche Richterbund (DRB) damit, dass die rückwirkende Ausarbeitung alter Cannabis-Delikte die Strafjustiz über Wochen von anderen Aufgaben abhalten wird. „Nach Auskünften der Justizverwaltungen der Länder auf eine Umfrage der Deutschen Richterzeitung müssen jetzt infolge der Amnestie-Regelung des Cannabis-Gesetzes bundesweit mehr als 200.000 Strafakten überprüft werden“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe). „Das wird die Strafjustiz über Wochen zunächst für andere Aufgaben blockieren.“
Alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz seien händisch daraufhin auszuwerten, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären. „Das lässt sich leider nicht per Knopfdruck aus dem Bundeszentralregisterauszug herauslesen, denn darin sind die genaue Tathandlung und die Art des Betäubungsmittels in der Regel nicht notiert“, erklärte Rebehn. Er hob zudem das Problem der sogenannten Gesamtstrafen hervor. „Sofern ein Täter wegen Cannabis-Besitzes und anderer Straftaten verurteilt worden ist, muss das Gericht den Fall neu bewerten und entscheiden, wie hoch die Strafe ohne das wegfallende Cannabisdelikt festzusetzen ist“, so der DRB-Geschäftsführer.
„Es ist kein Ruhmesblatt der Regierungskunst, dass die Ampel die gravierenden fachlichen Einwände der Ärzteschaft, der Polizei und der Justiz sowie die Bedenken auch aus den eigenen Reihen weitgehend vom Tisch gewischt hat und das Cannabis-Gesetz jetzt mit der Brechstange ins Gesetzblatt gedrückt hat“, kritisierte Rebehn.
Das Cannabis-Gesetz sei gespickt mit zahlreichen Auflagen für den Anbau von Cannabis sowie mit aufwendig zu kontrollierenden Abstandsregeln, Konsumverbotszonen oder Konsumverbotszeiten. „Es sieht Dutzende Ordnungswidrigkeiten vor, die nach Einsprüchen Betroffener vielfach vor den Gerichten landen werden. Die Straf-, Zivil- und Verwaltungsgerichte dürften mit einer Flut von Zweifels- und Streitfragen konfrontiert werden“, so Rebehn weiter.