„Mit seiner China-Reise setzt der Bundeskanzler eine Außenpolitik fort, die bei unseren engsten Partnern zum Verlust von Vertrauen in Deutschland führt“, sagte Röttgen der „Rheinischen Post“ (Freitagsausgabe). Die China-Reise unmittelbar nach dem Parteitag der Kommunistischen Partei, auf dem Xi Jinping „diktatorische Macht“ errungen habe, sei „ein einziger Alleingang“.
Der Bundeskanzler hätte das Angebot des französischen Präsidenten Macron annehmen sollen, gemeinsam zu reisen. „Das wäre ein starkes europäisches Signal gewesen. Die Aussage des Bundeskanzlers, die Reise sei mit Frankreich abgestimmt, dürfte in Paris für noch mehr Kopfschütteln sorgen.“ Die China-Politik von Scholz stehe in direktem Widerspruch zu der US-China-Politik, was in Washington für großen Ärger sorge, so Röttgen. Die Kritik der Amerikaner an der weiterhin „rein merkantilistischen“ deutschen China-Politik sei berechtigt. „Dass Scholz dennoch behauptet, die Reise sei auch mit Washington abgestimmt, wird den Ärger größer machen“, sagte der CDU-Politiker. „Der Bundeskanzler hat vor der Reise einen Kotau vollzogen, indem er gegen sein eigenes Kabinett die Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco am Hamburger Hafen durchgeboxt hat. Ein hoher Preis für ein paar Stunden in Peking, der zeigt, dass deutscher Vertrauensverlust bei Partnern mit Ansehensverlust Deutschlands in der Welt einhergeht.“ Der Bundeskanzler habe aus dem Desaster der auch von ihm aktiv betriebenen Russland-Politik der Vergangenheit offensichtlich nichts gelernt. „Deutsche China-Politik bleibt im Kern deutsche Industriepolitik. Die Leitlinie des Kanzlers ist, `wir wollen weiter in China Geschäfte machen, egal, was das für die Abhängigkeit unserer Volkswirtschaft und für unsere Handlungsfähigkeit bedeutet`.“ Wenn das die deutsche China-Politik bleibe, könne Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ihre Arbeit an einer neuen China-Strategie einstellen.
„Oder sie setzt sich in Zukunft durch“, so Röttgen. Aus den Reihen der Grünen kamen unterdessen auch wieder Rufe nach einem Strategiewechsel. „Unsere China-Strategie muss sich den neuen Realitäten der Zeitenwende anpassen“, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Neben dem notwendigen wirtschaftlichen Austausch braucht es eine deutlichere Verurteilung der Einschränkung von Menschenrechten und eine Strategie, wie die Abhängigkeiten in kritischen Bereichen verringert werden können.“
Nouripour erinnerte an den Koalitionsvertrag der Ampel, wonach eine umfassende China-Strategie in Deutschland eingebettet sein müsse in eine gemeinsame EU-China-Politik. „Das erfordert ein Umdenken in der Auseinandersetzung mit dem Wettbewerber und strategischen Rivalen China“, sagte er. Der Grünen-Chef lobte die Ankündigung von Scholz, die Menschenrechtslage bei seinem Besuch in China anzusprechen. „Das ist richtig und bestätigt unsere im Koalitionsvertrag festgeschriebene Vereinbarung, die Kooperation mit China auf Grundlage der Menschenrechte und des geltenden internationalen Rechts auszugestalten.“
Zur Unterfütterung dieser Vereinbarung hätte er sich allerdings gewünscht, dass in die Delegation des Kanzlers neben Wirtschaftsvertretern auch Personen und Organisationen aufgenommen worden wären, die mit einem Einreiseverbot belegt wurden.