Seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn der russischen Offensive, waren insgesamt 221.571 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter nach Deutschland gekommen, ein Teil hat das Land wieder verlassen, berichtet die „Welt am Sonntag“. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass sich wehrfähige ukrainische Männer in Deutschland der Verteidigung ihres Landes entziehen“, sagte der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter der Zeitung.
Nicht jeder müsse an die Front, das gehe auch durch Engagement in der Pflege Verwunderter, im Katastrophenschutz oder an anderer Stelle. „Viele der Ukrainer, die man hier sieht, machen einen robusten Eindruck“, sagte der Bundestagsabgeordnete und Generalstabsoffizier außer Dienst. „Rechnet man ihre Zahl hoch, fehlen der ukrainischen Armee allein durch jene Staatsbürger, die sich in Deutschland aufhalten, acht bis zehn Divisionen.“ Angesichts der Verluste an der Front fällt es der Regierung in Kiew zunehmend schwer, verwundete oder getötete Soldaten zu ersetzen. Zu den offiziell erfassten 189.484 Männern kommen nach Schätzungen bis zu 100.000 männliche Ukrainer unter 60 Jahren hinzu, die illegal hierzulande leben. „Dass die Bundesregierung oder die zuständigen Oberlandesgerichte Kriegsdienstverweigerer ausweisen, halte ich für wenig wahrscheinlich, die Folge wäre, dass die Betroffenen Asylanträge stellen“, sagte Verteidigungspolitiker Kiesewetter. „Ich appelliere an das Gewissen und den Patriotismus der wehrfähigen Ukrainer in Deutschland: Helfen Sie ihrem Land.“ Andrej Hunko, bislang Bundestagsabgeordneter der Linken und nun beim Bündnis Sahra Wagenknecht, hält dem entgegen: „Je länger dieser Krieg dauert, desto mehr kriegsunwillige Ukrainer wird es geben. Wir dürfen sie nicht zwingen, in einem Abnutzungskrieg an der Front ihr Leben zu riskieren.“ Die Bundesregierung beziehe sich derzeit auf das Europäische Auslieferungsübereinkommen von 1957, das Auslieferung bei Desertion ausschließe. Das Bundesinnenministerium stellte dazu gegenüber der Zeitung klar: „Über die Zulässigkeit einer Auslieferung entscheiden die Oberlandesgerichte. Die Bundesregierung respektiert deren Unabhängigkeit und äußert sich daher nicht diesbezüglich.“