„In der Vergangenheit waren wir uns für manches zu fein: Sonntags haben wir beklagt, wie beispielsweise Kobalt-Bergbau betrieben wird. Unter der Woche haben wir aber wenig dabei gefunden, Batterien herzustellen, die unter anderem Kobalt benötigen“, sagte Scholz der „Süddeutschen Zeitung“ für ihre Wochenendausgabe.
Künftig müsse Deutschland „ehrlich genug sein, zu sagen, dass es Kobalt-Bergbau auch mit unserer Unterstützung geben muss. Und wir müssen, das gehört dann dazu, für bessere Arbeits- und Umweltbedingungen beim Abbau des Kobalts sorgen“, sagte er. China hat sich den Zugriff auf große Vorkommen in der Demokratischen Republik Kongo gesichert. Der Abbau findet vielfach ohne Rücksicht auf Umwelt und Sozialstandards statt.
Scholz mahnte eine „aktive Rohstoffstrategie“ an. „Wir können es uns nicht leisten, etepetete zu sein“, sagte er. Grundsätzlich müsse Deutschland in allen Wirtschaftsbereichen eine größere Diversifizierung anstreben, um sich etwa von China unabhängiger zu machen. Dies gelte für Lieferketten, Exportmärkte und Rohstoffe.
Die Globalisierung habe viel Gutes bewirkt. „Der Fehler lag eher darin, dass Unternehmen und Staaten sich zu sehr auf einzelne Länder gestützt haben. Die Antwort muss also lauten: Diversifizieren – und damit Abhängigkeiten verringern“, sagte Scholz. Das werde sich auf die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands auswirken.
Für die Unternehmen bedeutete dies, „dass sie manche Produkte nicht mehr ganz so billig werden anbieten können“. Zugleich wandte sich Scholz gegen Überlegungen, in Deutschland sogenanntes Schiefergas zu fördern. Es gebe zu viele Widerstände vor Ort und auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei diese Technologie nicht plausibel, da es einen langen Vorlauf gebe und Deutschland in 25 Jahren ohnehin klimaneutral wirtschaften wolle. „Die Idee von Fracking in Deutschland scheint mir wie eine Fata Morgana: Wenn man ihr näher kommt, löst sie sich in Luft auf“, sagte der Kanzler.
Laut SZ kündigte Scholz weitere Versuche an, Kreml-Chef Wladimir Putin zu einem Ende des Angriffskrieges gegen die Ukraine zu bewegen. „Unser Ziel ist, dass Russland seinen Angriffskrieg beendet und dass die Ukraine ihre Integrität verteidigt. Dazu wird es notwendig sein zu sprechen“, sagte Scholz. Offen ließ er, ob er zu einer neuerlichen Reise nach Moskau bereit wäre: „Ob das per Telefon, Videoschalte oder an einem langen Tisch geschieht, muss sich erweisen.“
Scholz warf Russland vor, den Krieg mit „unerbittlicher Brutalität“ und unter Missachtung des Völkerrechts zu führen. „Russland muss einsehen, dass das so nicht weitergeht. Putin muss den Krieg beenden, Truppen zurückziehen und so die Möglichkeit für eine gegenseitige Verständigung schaffen“, forderte er. Der Appell könne nur sein: „Putin, beenden Sie diesen Krieg.“ Angesichts des militärischen Misserfolgs Russlands sei die Gefahr einer Eskalation groß. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nahm der Kanzler gegen Kritik in Schutz. „Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin“, sagte er. Auch der Einschätzung, die Bundeswehr sei in ihrem jetzigen Zustand nicht abwehrbereit, widersprach der Kanzler. „Die Bundeswehr ist leistungsfähig, das hat sie vielfach bewiesen, und jede andere Feststellung würde auch dem Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten nicht gerecht“, sagte er. Die Soldatinnen und Soldaten seien „in Deutschland und in der Welt tätig, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.“ Allerdings müsse viel mehr investiert werden, „damit die Bundeswehr so aufgestellt und ausgerüstet ist, dass es niemand wagt, unser Land oder das Territorium eines NATO-Alliierten anzugreifen“, räumte Scholz ein. Die Bundeswehr werde nun „wieder in die Lage versetzt, dass sie einen Angriff auf unser Territorium oder das unserer Verbündeten zurückschlagen kann“. Dafür würden nun alle Waffengattungen besser ausgestattet; die Streitkräfte bräuchten einen „verlässlichen Zulauf von Waffen und Munition“. Für das kommende Jahr erwartet Scholz nach dem „Doppelwumms“ mit 200 Milliarden Euro keine neuen Milliardenprogramme zur Abfederung der Energiekrise. „Nach jetzigen Kalkulationen ist davon auszugehen, dass wir mit dieser Summe die hohen Preise in diesem und im nächsten Winter abmildern können“, sagte der Kanzler. „Perspektivisch soll sich die Versorgungslage bessern, dann sollen auch die Preise wieder zurückgehen.“ Seiner Einschätzung nach wird die Versorgung mit Gas trotz des russischen Lieferstopps auch im kommenden Winter gewährleistet sein. „Davon können wir, so wie in diesem Jahr, ausgehen, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert“, erklärte er. Den Bau neuer LNG-Terminals müsse man allerdings auch im nächsten Jahr weiter vorantreiben – „und auch weitere Lieferverträge für die Zukunft abschließen“.