Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in Warschau an den Aufstand der Bevölkerung gegen die nationalsozialistische Besatzung vor 80 Jahren während des 2. Weltkriegs erinnert. „Der Warschauer Aufstand gehört zu den grausamsten Kapiteln in der langen Geschichte, die unsere beiden Völker, die Polen und Deutsche miteinander teilen“, sagte Steinmeier anlässlich der Gedenkveranstaltung am Mittwoch. „Und er gehört zu den heldenhaftesten Kapiteln der polnischen Geschichte.“
Die Erhebung der Polnischen Heimatarmee gegen die deutsche Besatzungsmacht sei ein zentrales, „ein hoch symbolisches und bis heute wirkmächtiges Ereignis“ der Geschichte Polens, so der Bundespräsident. „Es steht beispielhaft für den Willen, sich zu behaupten, sich die Freiheit nicht kampflos nehmen zu lassen, für den Stolz, dem Aggressor die Stirn geboten zu haben.“
Steinmeier erinnerte an das Vorgehen der Deutschen, die Warschau zu etwa 85 Prozent zerstörten. „63 Tage kämpfte die Heimatarmee gegen die deutschen Besatzer. Gegen Besatzer, die Massenmorde an der Zivilbevölkerung begingen und die Stadt nach dem Aufstand fast vollständig zerstörten“, sagte er. „Aber hier stehe ich heute, in Warschau, der Hauptstadt unseres Freundes und Nachbarn Polen. Und ich sehe und wir alle sehen: Warschau lebt. Wie es in dem Funkspruch damals hieß: Das sind die Menschen Warschaus.“
Die spätere Freiheitsbewegung der 1980er-Jahre in Polen sei Vorbild für viele andere gewesen und habe letztendlich zur Freiheit in Mittel- und Osteuropa – und auch zur Freiheit im Osten Deutschland beigetragen: „Auch sie war von diesem Geist der Unbeugsamkeit inspiriert“, sagte der Bundespräsident.
„Sich der Gewalt, sich der Barbarei nicht widerstandslos zu beugen, die Ungerechtigkeit und den täglichen Terror nicht widerstandslos zu ertragen, sich dem Besatzer entgegenzustellen, die Heimat, die Familie, die Freunde zu schützen, für all das steht der Warschauer Aufstand – als einmaliges geschichtliches Ereignis und als bleibendes leuchtendes Zeichen“, erklärte das deutsche Staatsoberhaupt.
„Vor der Tapferkeit, vor der todesmutigen Einsatzbereitschaft der Kämpferinnen und Kämpfer, vor dem unbedingten Willen zur Freiheit, zur Bewahrung der eigenen Würde, verbeuge ich mich heute mit dem größten Respekt“, so Steinmeier.
Man dürfe und werde nicht vergessen, welch unermessliches Leid die Deutschen über ihre Nachbarn gebracht haben: „Mit welcher Brutalität, mit welchem Vernichtungswillen die deutschen Besatzer gegen die gesamte Bevölkerung vorgegangen sind, nachdem sie am 1. September 1939 Polen überfallen hatten. Es ist danach so schrecklich verwüstet worden“, so Steinmeier. „Noch heute sind, wie ich weiß, in vielen Familien hier in Polen das Leid und die Trauer im Gedächtnis. Sie wirken bis heute fort. Sie sind gegenwärtig.“
Deutscher Nationalismus, Imperialismus und Rassismus habe zu den grauenhaften Verbrechen geführt, gegen die sich Polen im Warschauer Aufstand gewehrt hat. „So weit darf es nie wieder kommen. Deswegen kann der Blick in die Vergangenheit nicht folgenlos bleiben. Immer geht es darum, aus dem Vergangenen zu lernen für eine bessere Zukunft.“
Steinmeier zeigte sich glücklich darüber, dass Deutsche und Polen zu guten Nachbarn geworden sind. „Es war ein langer Weg, der beiden Seiten nie leichtfiel. Wenn wir all das, was hinter uns liegt, in Betracht ziehen, dann ist es ja auch fast ein Wunder. Wir können dafür nur dankbar sein.“
Der Warschauer Aufstand war die militärische Erhebung der „Polnischen Heimatarmee“ gegen die deutsche Besatzungsmacht im Zweiten Weltkrieg und dauert vom 1. August bis zum 2. Oktober 1944.
Die Widerständler kämpften 63 Tage gegen die Besatzungstruppen, bevor sie angesichts der aussichtslosen Situation kapitulierten. Die deutschen Truppen begingen Massenmorde unter der Zivilbevölkerung, und die Stadt wurde nach dem Aufstand fast vollständig zerstört.