„Aus verfassungsrechtlicher Sicht dürfen die sektoralen Ziele nicht ersatzlos gestrichen werden“, heißt es in einer Studie von „Client Earth“, über die der „Spiegel“ berichtet. Die festgeschriebenen Höchstmengen pro Jahr und Sektor seien zwar „keine hinreichende Bedingung“, um das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 zu erreichen, schreiben die Juristen; „Aber wer die Ziele abschaffen will, müsste zumindest sagen, wie das verfassungskonform geregelt werden soll“, so die Studienautorin.
Die FDP strebt eine radikale Reform des Klimaschutzgesetzes an und will die jährlichen Emissionsziele abschaffen, wie FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler bestätigte: „Dieser sehr teure Aktionismus auf Grundlage willkürlich gesetzter Sektorziele ist das Gegenteil einer nachhaltig wirksamen und stringenten Klimapolitik.“ Köhler beruft sich auf den Koalitionsvertrag. Dort hätte man vereinbart, die jährlichen Sektorziele im Klimaschutzgesetz durch eine mehrjährige und sektorübergreifende Gesamtrechnung zu ersetzen – die einzelnen Sektoren würden damit wegfallen. Der SPD-Abgeordnete Matthias Miersch interpretiert den Koalitionsvertrag hingegen anders: „Für mich ist klar, dass wir auch weiterhin ein jahres- und sektorspezifisches Monitoring der CO2-Emissionen benötigen – alle Sektoren müssen ihren Beitrag leisten“, so Miersch. Er warnt ausdrücklich vor einer Reform, wie sie der FDP vorschwebt. Das Gesetz müsse „seine Zähne behalten“. Es dürfe „keinen Verschiebebahnhof in die Zukunft geben“. Die Rechtsexpertin Sabine Schlacke, Co-Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), hält die Client-Earth-Studie für plausibel. Die Erhaltung der Sektorziele sei politisch unabdingbar, damit der Klimaschutz nicht noch mehr ausgebremst werde. Verfassungsrechtlich sei das jedoch nicht so eindeutig: Mit einer geschickten Argumentation und plausiblen Alternativen könne man die Sektorziele auch abschaffen – ohne gegen die Verfassung zu verstoßen. Das Bundesverfassungsgericht würde eben nicht vorschreiben, dass es jährliche Sektorziele geben müsse. „Deshalb liegt die Betonung der Studie auf dem Wort `ersatzlos`“, so Schlacke.
Im Herbst hatte das Ministerium von Robert Habeck (Grüne) in den Eckpunkten zum Klimaschutzprogramm eine Reform angekündigt: Demnach könne man sich eine mehrjährige Gesamtrechnung quer über die Sektoren vorstellen. Möglich wäre, dass ein Sektor, der sein Ziel übertrifft, auch einem anderen aushelfen kann, der seines verfehlt. Danach würden die Sektorziele allerdings weiterhin bestehen bleiben. Die FDP hatte diesen Vorschlag abgelehnt.