Der Bundeswehr sind im vergangenen Jahr 216 rechtsextreme, rassistische und antisemitische Verdachtsfälle gemeldet worden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hervor, die von der zum Zeitpunkt der Anfrage noch bestehenden Linksfraktion gestellt wurde und über welche die „Welt“ (Freitagsausgabe) berichtet. 46 Soldaten wurden demnach in diesem Zeitraum aufgrund rechtsextremistischer Bestrebungen aus dem Dienst entlassen, davon 26 Mannschaftsdienstgrade, 14 Unteroffiziere und sechs Offiziere; 97 Bewerber wurden wegen Zweifeln an der Verfassungstreue abgelehnt.
47 Prozent der Verdachtsfälle haben sich bestätigt, 28 Prozent sind noch offen, 25 Prozent haben sich nicht bestätigt. Zahlreiche bestätigte Vorfälle betreffen Rassismus gegenüber Soldaten mit Migrationshintergrund, ein Vorfall betrifft Antisemitismus gegenüber einem Soldaten mit jüdischen Wurzeln. So verwendete etwa ein Soldat auf Zeit im schleswig-holsteinischen Heide im Juli 2022 mehrfach die rassistischen Beleidigungen „Neger“ und „Nigger“ und äußerte sich gegenüber einer Frau mit ghanaischer Abstammung rassistisch. Disziplinarmaßnahmen wurden nicht eingeleitet, der Beschuldigte beendete seinen Dienst auf eigenen Wunsch. Im November 2022 beleidigte ein Soldat auf Zeit einen Kameraden mit jüdischen Wurzeln als „Scheißjude“ und „Drecksjude“. Ein Verbot der Ausübung des Diensts sowie ein Uniformtrageverbot wurden ausgesprochen, eine Entlassung wird geprüft. Viele der bestätigten Fälle beziehen sich außerdem auf die Verherrlichung des Nationalsozialismus: Ein Zeitsoldat, der im Februar 2022 in Cloppenburg vor einer Hakenkreuzflagge posierte, wurde entlassen. Ein Zeitsoldat, bei dem im selben Monat im schleswig-holsteinischen Eckernförde 90 Dateien gefunden wurden, die „Adolf Hitler oder Symbole des Nationalsozialismus zeigen, die auf fragwürdige Sicht auf den Holocaust oder Menschen mit Trisomie 21 hindeuten oder die augenscheinlich fremdenfeindlich sind“, wurde ebenfalls entlassen. Bei einem freiwillig Wehrdienstleistenden wurden im Oktober 2022 im bayerischen Bad Reichenhall ein Exemplar der rechtsextremistischen Zeitschrift „N.S. Heute“ sowie das Buch „Blut und Ehre“ des NS-Ideologen Alfred Rosenberg aus dem Jahr 1939 gefunden. Von disziplinarischen Maßnahmen wurde abgesehen. Die Antwort der Bundesregierung enthält auch einzelne Vorfälle mit Bezug auf Islamismus und türkischen Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Linken-Innenpolitikerin Martina Renner sagte der „Welt“: „Die Zahlen zeigen, dass das Problem unverändert fortbesteht, auch wenn das Aufkommen insgesamt etwas gesunken scheint.“ 16 Fälle, in denen auch eine Mitgliedschaft in oder die Unterstützung von rechtsextremen Organisationen festgestellt worden sei, zeigten, „dass die Aufmerksamkeit hier keineswegs nachlassen darf“.
Die Bundestagsabgeordnete sagte weiter: „Die Bandbreite von Mitgliedern der Patriotischen Union, Angehörigen rechtsextremer Burschenschaften oder der rechtsextremen Jungen Alternative bis hin zu den Grauen Wölfen verdeutlicht die Anziehungskraft der Bundeswehr für diese Menschen.“