Die Unionsfraktion im Bundestag hat sich alarmiert von neuen Nato-Forderungen an die Bundeswehr gezeigt und der Ampel-Koalition schwere Versäumnisse in der Verteidigungspolitik vorgeworfen. „Dass Minister Pistorius das Parlament nicht über die anstehenden Mehrforderungen der Nato informierte, ist so erschreckend wie bezeichnend“, sagte Florian Hahn (CSU), verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, der „Welt“ (Mittwochausgabe). Hahn setzte durch, dass der Verteidigungsausschuss des Bundestags an diesem Mittwoch von der Regierung über Stand und Auswirkungen der Nato-Planungen „in den Kategorien Personal, Material, Infrastruktur und Finanzen“ informiert wird.
Über Monate hatten die Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag vergeblich versucht, von der Bundesregierung Details über die Fähigkeitsplanung der Bundeswehr zu erfahren. Dabei geht es um die Frage, was die deutschen Streitkräfte können müssen, um den Planungszielen der Nato zur Abschreckung Russlands nachzukommen. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtet, geht das Verteidigungsministerium auf Grundlage der „Minimum Capability Requirements“ (MCR) der Nato davon aus, dass über die bislang zugesagten zehn Kampftruppenbrigaden der Landstreitkräfte hinaus ab 2031 fünf bis sechs weitere hinzukommen müssen.
Dem Minister gelinge es bislang nicht einmal, „die vollmundig versprochene Brigade in Litauen als wirklich neue Brigade aufzustellen und zusätzliche Mittel dafür einzuwerben“, sagte Hahn. Nun werde „die Aufstellung von mindestens vier weiteren Brigaden gefordert“.
Auch im Haushaltsausschuss zeigt sich die Union unzufrieden. „Immer stärker wird offenbar, welches Desaster-Erbe Boris Pistorius am Ende der jetzigen Legislaturperiode hinterlassen wird“, sagte der für die Bundeswehr zuständige Berichterstatter Ingo Gädechens (CDU) der Zeitung. „Trotz aller Zeitenwende-Phrasen ist Deutschland schon heute meilenweit davon entfernt, die Nato-Vorgaben unter anderem zur Ausstattung des Deutschen Heeres zu erfüllen.“
So müsse bereits 2027 eine zweite vollausgestattete, schwere Division mit rund 20.0000 Soldaten zur Verfügung stehen, „aber wir haben praktisch keine Waffensysteme dafür und werden auch in dieser Wahlperiode nicht mehr in die notwendigen Beschaffungen einsteigen“. Die künftig weiter stark steigenden Anforderungen der Nato an die Bundeswehr würden dann endgültig offenbaren, „in welcher Dimension in der laufenden Wahlperiode die Stärkung der Bundeswehr verschlafen wurde“. Die Ampel werde als eine Koalition in die Geschichte eingehen, die „krachend an der notwendigen Aufrüstung der Bundeswehr gescheitert ist“.
Gädechens findet es skandalös, „dass das Verteidigungsministerium offenbar schon ziemlich genau weiß, was die Bundeswehr wird leisten müssen – dies aber gegenüber dem Parlament komplett unterschlägt“. Pistorius wolle dem Bundestag verheimlichen, dass die schon heute dringend notwendigen Schritte zur Stärkung der Bundeswehr verpasst worden seien. „So schlafwandelt diese Ampel Deutschland und die Bundeswehr in eine sicherheitspolitische Katastrophe.“
Auch Oberst André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, sieht dringenden Handlungsbedarf. „Russland hat im letzten Jahr einen gefährlichen Rüstungswettlauf eingeleitet. Zur Wahrheit gehört: Putin ist mit seiner Kriegswirtschaft bereits aus dem Startblock, während wir dabei sind, das Rennen zu verschlafen“, sagte Wüstner der „Welt“. Gemessen an dieser Bedrohungslage könne Minister Pistorius „aufgrund des für 2025 viel zu geringen Verteidigungsetats nicht so schnell und ausreichend beschaffen, wie es notwendig ist“.
Vor dem Hintergrund der politischen Zusagen an die Nato und des dafür notwendigen Fähigkeitsaufwuchses der nächsten Jahre sei das „fatal“, so Wüstner. Der Bundestag müsse sich mit der Verteidigungs- und Kräfteplanung der Nato „aufgrund der sich weiter dramatisch entwickelnden Bedrohungslage auseinandersetzen und die Stärkung unserer Gesamtverteidigung forcieren“, forderte der Oberst. „Es muss verstanden werden, dass wir Deutsche und Europäer wieder mehr denn je in unsere Sicherheitsarchitektur investieren müssen.“
Inhalt bereitgestellt von der DTS-Nachrichtenagentur. Der Inhalt wurde nicht redaktionell geprüft.